Es ist auffällig, wie die Schlicksituation im Hafen immer wieder thematisiert wird. Im Nachgang zum “Unterelbemärchen” ist gestern eine weitere Schriftliche Kleine Anfrage zu der “Verbringung von Sedimenten” samt Senatsantworten veröffentlicht worden. Themen sind wieder die Verklappung bei Tonne E3 vor Helgoland und die Gespräche mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu einem gemeinsamen Sedimentmanagement.
Ein ehemaliger Bürgerschaftsabgeordneter, der bestimmt kein Freund von rot-grüner Politik ist, arbeitet ebenfalls an dem Schlick-Thema weiter. In seiner gestrigen Pressemitteilung berichtet er von einer Akteneinsicht bei der HPA und zitiert mit überraschtem Unterton, bei Auslassung wesentlicher Inhalte, aus der zwischen BSU und HPA vereinbarten Übergangsregelung zum Handlungskonzept Umlagerung von Baggergut aus dem Hamburger Hafen in der Stromelbe. Dass die seit Jahren durchgeführte Kreislaufbaggerei unsinnig ist, kann nur für Politiker, die bislang die Augen bei der Elbvertiefung samt deren Auswirkungen auf die Unterhaltungsbaggerei fest verschlossen haben, eine neue Erkenntnis sein. Warum entspricht das Fazit der Pressemitteilung nahezu wortwörtlich den Senatsantworten der o.a. Kleinen Anfrage?
Dass die Verschlickung etwas mit den vorangegangenen Elbvertiefungen zu tun haben könnte, darauf kommt erneut keiner. Welche Auswirkung auf die Verschlickung mag die geplante neunte Elbvertiefung haben? Wir schauen einfach in die Planungsunterlagen.
- Unter H.1c (Gutachten zur ausbaubedingten Änderung der morphodynamischen Prozesse) ist das 119 Seiten umfassende Werk aus August 2006 zu finden. Es beginnt mit einer fünfseitigen Zusammenfassung, bei der wir nachfolgend nur den Hamburger Abschnitt zwischen Blankenese und Wedel betrachten werden. Das ist das Gebiet vor Nesssand, wo die kritisierte Verklappung des Hafenschlicks aus der unsinnigen Kreislaufbaggerei in den kühleren Monaten des Jahres stattfindet.
- Es ist zugleich der Elbabschnitt der vielgepriesenen”Begegnungsbox”, die da neu entstehen soll: “Für diese Begegnungsstrecke ist die Fahrrinnenbreite im Mittel mit 385 m ausgelegt. Die Begegnungsstrecke liegt innerhalb des Abschnitts, in dem sich tideabhängig verkehrende Massengut- und Containerschiffe mit Maximaltiefgang zwangsläufig begegnen müssen,…“lesen wir in der Broschüre zur Elbvertiefung auf Seite 11 unten.
Das ist doch komisch: die Elbe soll genau an dieser Stelle vertieft und stark verbreitert werden, wo derzeit der gesamte Hafenschlick verklappt wird?
In dem Gutachten der BAW finden wir weitere bemerkenswerte Ausführungen zur Schlickentwicklung. Dort ist auf Seite IV der Zusammenfassung zu lesen, dass “die wesentlichen Zunahmen in der Begegnungsstrecke zu erwarten sind. In dieser Strecke wird auch eine nennenswerte Zunahme der Baggerflächen erwartet.”
Das ist aber noch nicht alles: auf Seite II ist zu lesen: “Die Unterhaltungsbaggermengen werden in der Begegnungsstrecke oberhalb der Lühekurve um mehr als 50 % (bezogen auf die Baggerabschnitte Wedel und Wedeler Au) zunehmen.” Leser unserer Seite wissen, dass sich an dem Abschnitt zwischen der Lühekurve und Wedel-Schulau, genau vor dem Hamburger Yachthafen, die sogenannte “Sedimentfalle” befindet, die die von der Mündung durchs Tidal-Pumping einströmenden Sedimente vor dem Eintreiben in den Hamburger Hafen abfangen soll. Die “Entleerung” der Sedimentfalle wird ebenfalls von der HPA bezahlt.
Nun wird aus der gesamten Diskussion ein Schuh! Durch die Begegnungsbox beraubt sich Hamburg seiner einzigen Verklappungsstelle. Die Sedimentfalle fällt der Vertiefung zum Opfer – in dem Bereich wird sogar eine sehr stark steigende Sedimentation prognostiziert. Mit der geplanten Elbvertiefung wird der Hamburger Hafen also noch mehr dem “Tidal-Pumping” ausgesetzt – die Baggerkosten für den Hamburger Elbteil, d.h. Hafenbecken und Hamburger Elbstrecke, werden explodieren, wenn…
…nicht schnell eine Vereinbarung mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen für die Entsorgung dieser nochmals steigenden Schlickmengen gefunden wird.
Es geht also nicht um “nachhaltige” Lösungen. Nein, es scheint die blanke Panik vor dem Baggernotstand zu sein, wenn die neunte Elbvertiefung realisiert werden sollte. Wir gehen davon aus, das Hamburg mit den Nachbarländern und dem Bund derzeit versucht größere Möglichkeiten der Verklappung von Hafenschlick in der Nordsee zu finden.
Ach ja, zurück zu der “Auslassung wesentlicher Inhalte” des o.a. Abgeordneten. Wir haben im Januar 2015 die Akteneinsicht in die o.a. Übergangsregelung zum Handlungskonzept Umlagerung von Baggergut aus dem Hamburger Hafen in der Stromelbe vom 16.03.2012 vorgenommen. Wir zitieren aus dem Kapitel 1-Einführung und Veranlassung:
- “Es gilt die als wichtige Wasserbewirtschaftungsfrage genannte Verbesserung des Sauerstoffhaushaltes der Tideelbe zu berücksichtigen. Die für eine umfassende Überarbeitung erforderlichen Entwicklungen sind zum großen Teil noch nicht abgeschlossen; deshalb erfolgt hiermit auf Grundlage des Handlungskonzepts von 1998 eine Übergangsregelung.”
- “Seit dem Jahr 1999 (Anmerkung: Fertigstellung der letzten Elbvertiefung) sind die im hamburgischen Bereich zu baggernden Sedimentmengen erheblich gestiegen; sie betragen heute mehrere Millionen Kubikmeter pro Jahr. Der größte Anteil davon wird im Gewässer umgelagert.“
Mit Berücksichtigung dieser einleitenden Zitate und der von uns “fett” dargestellten Jahreszahlen sollten die Politiker, die seit der letzten Elbvertiefung Ihre Augen fest zugedrückt haben und jetzt den überraschten Aufschrei üben, uns auf die Frage antworten, warum Sie dieses alles nicht gewusst haben wollen…!