Seit Wochen wird in Sachen Verschlickung des Hafens ein Feuerwerk an Nachrichten abgebrannt. Sie alle sind Bestandteil des Unterelbemärchen, das davon handelt, dass in Hamburg seit Jahrzehnten intensiv an “nachhaltigsten und ökologischsten” Lösungen zum Sedimentproblem gearbeitet wird. Dass nach über dreißig Jahren derart harter Arbeit bis heute nichts, nullkommanix, rausgekommen ist, haben wir vom Senat allerdings noch nie gehört. Dafür gibt es regelmäßig Vertröstungen: es wird weiter an Lösungen gearbeitet.
Mit der Weihnachtszeit ist auch die Zeit der Weihnachtsmärchen gekommen. Wir nutzen die Gunst der Jahreszeit und laden Sie ein zum Märchen um die Tonne E3 und das arme kleine Hamburg!
Es war einmal eine arme kleine Stadt, die nannte sich Hamburg. Das arme kleine Hamburg lag an dem Fluss Elbe und hatte einen großen Hafen. Das arme kleine Hamburg hat einen behäbigen Nachbarn. Dieser hieß Schleswig-Holstein, hatte ein großes weites Herz und war zudem etwas einfältig.
So geschah es im Jahre des Herrn 2005, dass der Oberlauf der Elbe von einer historischen Trockenheit heimgesucht wurde. Der große Hafen des armen kleinen Hamburg litt darunter sehr. Er wurde einfach nicht mehr ausreichend durchspült und verschlickte. Das arme kleine Hamburg baggerte und baggerte und verklappte vor Neßsand und verklappte – der Schlick wurde einfach nicht weniger.
Wir lesen dazu in den Hafenblatt-Chroniken (letzter Absatz) „Das deponierte Baggergut in der Elbe vor Wedel blieb nicht da, wo es bleiben sollte. Innerhalb weniger Wochen wurde es wieder zurück in den Hafen gespült. Und das ist nicht alles. 2004 stieg die Gesamtmenge der Elbsedimente, die in den Hafen gespült wurden, dramatisch an: Jahrelang hielt sich die Menge bei zwei bis vier Millionen Kubikmetern im Jahr, dann waren es plötzlich neun Millionen Kubikmeter. Georg Werner, seit 1981 bei Hamburg Port Authority (früher: Strom- und Hafenbau) zuständig für die Wassertiefen, befürchtet: “Auch 2005 dürfte diese Zahl erreicht werden.” Grund ist nach Ansicht von Experten die starke Pumpwirkung des Flutstromes. Die Ebbe, so Werner, nimmt längst nicht alles zurück. Die Genehmigung für die Lagerung in der Nordsee ist zunächst auf drei Jahre beschränkt.“ Statt wie bisher kurz vor Wedel darf nun das tägliche Baggergut ab sofort und mit Erlaubnis des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums 150 Kilometer weit weg in der Nordsee deponiert werden. Etwa 25 Kilometer nordwestlich der Insel Scharhörn bei Tonne E3 vor Helgoland.
Das war sehr, sehr lieb, dass Schleswig-Holstein mit seinem weiten Herz dem armen kleinen Hamburg geholfen hatte. Als Dank versprach das arme kleine Hamburg dem lieben Schleswig-Holstein, dass das nie wieder vorkommen würde und es nun endlich ein Sedimentmanagementkonzept erarbeiten würde.
Das arme kleine Hamburg machte sich so gleich an die Arbeit für das Konzept. Es arbeitete und arbeitete, verklappte und verklappte – schwupps waren die drei Jahre vorbei, ohne dass bis zum Jahre des Herrn 2008 etwas dabei rausgekommen wäre. Das arme kleine Hamburg stand immer noch vor dem Problem mit dem Hafenschlick. Und so fragte das arme kleine Hamburg bei dem lieben einfältigen Nachbarn um eine Verlängerung an.
Das einfältige Schleswig-Holstein war erst erzürnt. Aber das weite Herz gewann die Oberhand. Dem armen kleinen Hamburg wurde eine Verlängerungvon drei Jahren gewährt. Mit erhobenen Zeigefinger ermahnte es jedoch das arme kleine Hamburg: „Mach endlich Deine Hausaufgaben bis 2011“!
Wir lesen wieder in den Hafenblatt-Chroniken: „Hamburg darf seinen Hafenschlick ab 2012 nicht mehr vor Helgoland verklappen. Das sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Christian von Boetticher (CDU) in einem Gespräch mit dem Abendblatt. “Es wird keinen weiteren Folgevertrag mit Hamburg über Sedimentverlagerungen aus der Tideelbe geben.” Die Hansestadt müsse ihr Schlickproblem in den nächsten drei Jahren endlich lösen. “Schleswig-Holstein hat Hamburg das allerletzte Mal geholfen”, sagte der Minister mit Blick auf den jüngsten Beschluss des Kieler Kabinetts. Demnach darf Hamburg wie berichtet bis 2011 weitere acht Millionen Kubikmeter Schlick aus dem Hafenbereich (etwa Norder- und Süderelbe) bei der Tonne E 3 etwa 15 Kilometer südlich von Helgoland verklappen. Dort liegen bereits 4,5 Millionen Kubikmeter Schlick, die Hamburg an der küstenfernen Schüttstelle seit 2005 ablagern durfte. Die Hilfsaktion für den Hamburger Hafen ist heftig umstritten, weil mit dem Schlick unter anderem Cadmium und Quecksilber in der Nordsee verklappt werden.“
Das arme kleine Hamburg machte sich in 2008 so gleich erneut an die Arbeit für das Konzept. Es arbeitete und arbeitete und verklappte und verklappte – schwupps waren die drei Jahre vorbei, ohne dass dabei bis zum Jahre des Herrn 2011 etwas rausgekommen wäre. Aber es musste es sich ja auch um die Abwerbung der Husumer Windmesse kümmern, die viel schöner im armen kleinen Hamburg stattfinden könnte, als im hässlichen Husum. Das arme kleine Hamburg stand immer noch vor dem Problem mit dem Hafenschlick. Und so fragte das arme kleine Hamburg bei dem einfältigen Nachbarn erneut um eine Verlängerung an.
Der war jetzt aber richtig böse: Hausaufgaben nicht gemacht, Windmesse klauen wollen und die Wellhornschnecken vor Helgoland sind durch das Gift krank geworden. Nein so geht das nicht. Und so holte das arme kleine Hamburg ganz viele glitzernde 2 Euro Münzen aus seinem HHLA-Schatz. Über eine Million dieser glitzernden Geldstücke legte es dem knurrigen Schleswig-Holstein auf den Tisch! Und siehe da, das Glitzern der Münzen ließen Schleswig-Holstein alles vergessen: Husum vergessen, nicht gemachte Hausaufgaben vergessen. Na, ja rülpste Schleswig-Holstein dann doch noch einfältig im Jahre des Herrn 2013: Armes kleines Hamburg, Du musst jetzt wirklich mal Deine Hausaufgaben machen. Du sollst ein Dialogforum Tideelbe für dein Sedimentmanagementkonzept einberufen und bis Ende 2014 endlich Deine Hausaufgaben zu Ende bringen.
Wir lesen nun in den Welt-Chroniken: „Es wird damit gerechnet, dass 2013 mindestens 600 000 Kubikmeter Schlick verklappt werden müssen. Die Hamburger Port Authority muss dafür Kompensationszahlungen von zwei Euro pro Kubikmeter Baggergut leisten. Das Geld ist der Stock einer zu gründenden Stiftung Nationalpark Wattenmeer. Die Stiftung soll baldmöglichst ins Leben gerufen werden. Zudem müssen Hamburg und der Bund der Vereinbarung zufolge zeitnah und verbindlich ein Gesamtkonzept für das Sedimentmanagement in der Tideelbe erstellen. So soll eine unter ökologischen Gesichtspunkten vertretbare, dauerhafte Lösung für die Entsorgung des gering belasteten Schlicks gefunden werden.“
Das arme kleine Hamburg machte sich so gleich mit seinem tumben Onkel WSV aus Kiel an die Arbeit und berief das Dialogforum ein. Das arme kleine Hamburg arbeitete und arbeitete mit dem Dialogforum und verklappte und verklappte – schwupps war das Jahr 2014 vorbei, ohne dass etwas dabei rausgekommen wäre. Der von den Glitzer-Euros betäubte Nachbar schnarchte aber tief weiter.
Nun war aber auch das Jahr 2015 fast vorbei. Und die Oberelbe war wieder so trocken, wie im Jahre 2005. Und dann war die böse Tidal-Pumping-Krankheit, die die Elbe seit 2005 befallen hatte, einfach nicht abgeklungen. Das arme kleine Hamburg stand wie im Jahre des Herrn 2005 vor dem Problem mit dem Hafenschlick. Das arme kleine Hamburg hatte doch seine Hausaufgaben gemacht! Da war zwar nichts rausgekommen – setzen “sechs” hätte ein Lehrer verzweifelt gebrüllt – aber es kannte seinen doch sehr einfältigen Nachbarn nun schon so gut, dass es jetzt recht forsch eine Verlängerung einforderte.
Märchen enden meist mit der Formel: “Und so leben Sie noch heute, friedlich und in inniger Verbundenheit weiter”. Wie geht unser Märchen vom armen kleinen Hamburg und seinem einfältigen und jetzt auch schnarchenden Nachbarn Schleswig-Holstein weiter? Genau in diesem Sinne!
Heute wurde ein neues Kapitel des Unterelbemärchens veröffentlicht: Wirtschaftssenator Herrn Frank Horch gab implizit bekannt, dass die Verklappung von giftigem Hafenschlick in der Nordsee einvernehmlich mit Schleswig-Holstein ausgeweitet werden soll. Dieses war bereits Anfang der Woche absehbar, nachdem der Ministerpräsident Herr Torsten Albig auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung von Hamburg und Schleswig-Holstein die Zusage gegeben hatte, künftig giftigen Schlick aus dem Hafen aufnehmen zu wollen.
So lesen wir im heutigen Abendblatt die Aussage der Sprecherin des Kieler Umweltministeriums, Frau Nicola Kabel: “Derzeit werden alle Optionen für die Verbringung des Baggerguts nach ökologischen Kriterien geprüft und bewertet. Es liegen sieben Varianten auf dem Tisch, dazu gehören auch Orte in der Außenwirtschaftszone, die in der Verantwortung des Bundes liegt”. Welche Sieben mögen das sein?
Wir schauen in den Abschlussbericht des Dialogforum Tideelbe, das wie im Märchen erzählt, unter Regie von HPA und WSV den Auftrag hatte, an einer Lösung für das Sedimentproblem des Unterelbemärchen mitzuwirken. Fast zwei Jahre hat das Forum gearbeitet und im Spätsommer 2015 seinen Abschlussbericht vorgelegt. Im Abschlussbericht des Dialogforums finden wir auf Seite 70 acht Varianten für die Verklappung des giftigen Baggergutes in der Elbe.
- Hamburg bis Stade: „stromauf MaxTrüb“ , Stromkilometern 620 bis 655
- Stade bis Otterndorf: „MaxTrüb“, Stromkilometer 655 bis 715
- Otterndorf bis Außenelbe: „stromab MaxTrüb“, Stromkilometern 715 bis 755,
- Schlickfallgebiet in der Nordsee, also Tonne E3
- Küstengewässer südlich des Schlickfallgebiets – vor Neuwerk/Cuxhaven
- Ausschließliche Wirtschaftszone: „Nordwestliche AWZ (Nähe Entenschnabel)“
- Ausschließliche Wirtschaftszone: „Nahbereich der 12-Seemeilen-Zone“
- Ausschließliche Wirtschaftszone: „Nähe Reede“
Die erste Variante kann für die Fortsetzung des Unterelbemärchen gleich gestrichen werden, denn es ist die bekannte Verklappungsstelle vor Neßsand und die Sedimentfalle vor Wedel. Somit kennen wir die von Kiel ins Feld geworfenen Varianten: zwei sind in der Elbe, fünf liegen in der Nordsee. Die beiden Elbvarianten werden bereits durch die WSV genutzt – mehr wird da nicht abgeladen werden können.
Im Märchen haben wir den tumben Onkel WSV kennen lernen dürfen. Der wird es international nicht auf die Reihe bekommen wollen, dass für die Ablagerung von giftigem Baggergut erstmalig in der Geschichte die Ausschließliche Wirtschaftszone genutzt werden darf.
Es verbleiben also die Tonne E3 oder der Bereich vor Neuwerk/Cuxhaven. Ahnen Sie schon was passieren wird?
Helgoland wird jährlich weitere mindestens 2 Mio. m³ giftigen Hafenschlick vor die Tür gekippt bekommen. Wir halten das für die Untergrenze an zusätzlichem Baggervolumen – realistischer erscheinen uns 2,5 bis 3,5 Mio. m³ pro Jahr. Eine ganz und gar “nachhaltigste und ökologischste Politik. Im Sinne von Herrn Bürgermeister Olaf Scholz: “Mehr geht nicht“.