Am 20.01.2015 wurde das 135 Seiten starke “Nationale Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen 2015” der Bundesregierung durch das Bundeskabinett verabschiedet. Das federführende Bundesverkehrsministerium (BMVI) erläutert die Fortschreibung des bisherigen Konzeptes aus dem Jahr 2009 mit sehr wenig Leidenschaft auf seiner Internetseite: “Insgesamt sollen 155 Einzelmaßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Hafenwirtschaft umgesetzt werden. Das Nationale Hafenkonzept unterstützt alle Akteure bei der Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen und bietet einen gemeinsamen Handlungsrahmen.” Was steckt hinter den Schlagworten und Bulletpoints dieses lang erwarteten Konzepts, das doch immerhin “zum Wohlstand und zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands” in hohem Maße beitragen soll?
Nicht viel, wenn wir das verhaltene Medienecho verfolgen. Immerhin finden wir etwas im Regionalteil der Welt, im THB und bei Hamburg-Hafen-Marketing. An vorderster Stelle der Hamburger Berichterstattung steht – wenig überraschend – die Elbvertiefung…
Unsere Befürchtungen, dass dieses brandneue Hafenkonzept wieder auf alten Prognosen mit exorbitanten Umschlagszuwächsen basiert, werden auf Seite 18 bestätigt. Es ist diesmal die Verflechtungsprognose 2030, die in ihrem Erstellungsjahr 2012 noch als “moderat” galt und nach nur drei Jahren für das abgelaufene Jahr 2015 völlig überhöhte Werte ausweist. “Die Seeverkehrsprognose geht davon aus, dass sich der Containerumschlag in deutschen Häfen zwischen 2010 und 2030 etwa verdoppeln wird. Dieses Wachstum wird fast ausschließlich in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven generiert.” steht auf Seit 16. Schade, eine einfache Recherche in den Tageszeitungen des letzten Jahres hätte für eine regierungsamtliche Erkenntnis reichen können, dass diese Annahmen aufgrund von Marktentwicklungen und Marktsättigung schlicht und einfach falsch sind.
“In einigen deutschen Seehäfen zeigen sich allerdings im Containerbereich nach der Krise vorübergehende Engpässe bei der Abfertigung. Dabei spielen auch die immer größer werdenden Containerschiffe eine wichtige Rolle, die dazu führen, dass eine höhere Anzahl von Containern gleichzeitig verladen werden muss. Die deutschen Häfen können ihre hervorragende Wettbewerbsposition nur halten, wenn es auch weiterhin gelingt, die Umschlagkapazitäten bedarfsgerecht zu erweitern und die zunehmenden Spitzenbelastungen abzufangen.” ist im Hafenkonzept vermerkt. Aber was verdient ein deutscher Umschlagsbetrieb wie Eurogate und HHLA an diesen Erweiterungen für große Containerschiffe?
HHLA-Chef Herr Klaus-Dieter Peters schilderte dieses vor dem Bürgerschaftsausschuss für Öffentliche Unternehmen am 14.01.2016 aus Sicht der HHLA: “Wir sitzen hier in einer Investitionsfalle. Weil diese (Aufrüstungs-) Investitionen, …, kosten, Daumen, um die 60 bis 70 Millionen. Diese Investitionen bringen uns weder Kapazitätsvorteile- noch bringen sie uns Produktivitätsvorteile. Diese Investitionen werden ausschließlich, lassen Sie mich das Wort „erzwungen“ benutzen, durch das Schiffsgrößenwachstum. Für uns als Hafenbetreiber entstehen hier ausschließlich Kosten und kein Nutzen.” Klare Worte von Jemandem, der es wissen muss! Dass Hamburg daran dann gar nichts mehr verdient, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Das neue Hafenkonzept basiert also auf überholten Prognosen und fordert Infrastruktur-Investitionen in den Häfen, die sich nicht rechnen. Prima, aber es geht noch weiter:
Im Hafenkonzept landen wir in Kapitel “1.3. Ausbau der seewärtigen Zufahrten forcieren” auf Seite 52 ff. “Damit der Hamburger und die bremischen Häfen weiterhin Mega-Containercarrier abfertigen und im Wettbewerb bestehen können, ist die Umsetzung der geplanten Fahrrinnenanpassungen an Außen- und Unterelbe sowie der Außenweser erforderlich. Ohne die Vertiefung der Fahrrinnen von Elbe und Außenweser würden die Logistikstandorte in Hamburg und Bremerhaven von der Entwicklung abgekoppelt.” Ja, dann lasst est doch. Was sich nicht rechnet, brauchen wir doch nicht, oder?
Aber dann wird gedroht und gleichzeitig die gesamte europäische und deutsche Hafen- und Verkehrspolitik auf den Kopf gestellt: “In diesem Fall wären eine Verlagerung der Verkehre nach Rotterdam und Antwerpen und zunehmende Landverkehre zu befürchten, um die dort etablierten, zentralen Drehscheiben des Güterverkehrs zu nutzen. Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven könnte die diesbezüglichen Leistungen Hamburgs und Bremerhavens nicht ersetzen. Er bildet ein eigenständiges und zusätzliches Angebot in den Logistikketten des zunehmenden Containerumschlags.” Wie bitte? Im Jade-Weser-Port wurden Steuermilliarden versenkt und noch weitere in der Hinterlandanbindung. Und das soll alles für die Katz gewesen sein? Eine Lösung soll es sein, wenn in alle Häfen Milliaren versenkt werden – haben wir nicht gerade andere Aufgaben zu bewältigen?
Ein nationales Hafenkonzept intendiert doch zumindest etwas von politischer Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Küstenbundesländern, aber auch zu einer Kooperation zwischen den deutschen Häfen. Auf Seite 36 ff. finden wir unter der Überschrift “Koordinierung der Hafenpolitik” Aussagen zu dieser bisherigen, seit dem letzten Hafenkonzept aus 2009 praktizierten Zusammenarbeit:
“In den letzten Jahren verzeichnet das BMVI einen starken Aufgabenzuwachs in Angelegenheiten der See- und Binnenhäfen. Deshalb streben Bund und Länder eine engere Zusammenarbeit an und beabsichtigen zu neuen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in der Hafenpolitik zu kommen. Die Länder planen zum Beispiel Entwicklungsmaßnahmen für Ihre See- und Binnenhäfen, die Auswirkungen auf vom Bund zu finanzierende Infrastrukturinvestitionen haben, ohne dass der Bund über diese Planungen der Länder rechtzeitig umfassend informiert oder daran beteiligt wird. Auch die marktgerechte Verlagerung von Güterverkehr auf Schiene und Wasserstraße bei zukünftig zu erwartendem Umschlagwachstum erfordert eine stärkere Verknüpfung von Bundes- und Landesplanungen. Beim Ausbau der Hafeninfrastrukturen für die Offshore-Windenergie, der durch EU-Recht vorgegebenen Herstellung eines Netzes von LNG-Tankstellen für die Schifffahrt sowie dem Aufbau einer Landstromversorgung für Fahrgastschiffe fordern die Länder Unterstützung des Bundes. Jedoch wird dieser bisher nicht ausreichend in die entsprechenden Planungen der Häfen eingebunden.“
Nein, das klingt nicht nach einer Zusammenarbeit auf nationaler Ebene. Weder zwischen dem Bund und den Bundesländern, noch zwischen den Bundesländern und ihren Häfen untereinander. Ist den wenigstens für Europa eine gemeinsame Arbeit zwischen dem Bund und den Ländern erkennbar?
“Der Bund ist unter anderem für die See- und Binnenschifffahrt, die Logistik und die Vertretung der Interessen der Häfen und der Bundesländer gegenüber den europäischen und internationalen Institutionen verantwortlich, hat aber zu wenig Möglichkeiten, die Hafenpolitik mit Blick auf die Gesamtwirtschaft mitzugestalten. Angesichts der Forderungen der Länder nach einem Ausbau von Verkehrsinfrastrukturen (Ahrensburger Liste, Düsseldorfer Liste) und Hafeninfrastrukturen sollte der Bund stärker in die Hafenplanungen der Länder eingebunden werden. Mit Blick auf den zunehmenden europäischen und nationalen Einfluss auf die Hafenpolitik haben auch die Länder einen Anspruch gegenüber dem Bund, dass sie stärker in die hafenpolitischen Planungen des Bundes eingebunden und Informationen möglichst frühzeitig und umfassend weitergegeben werden. Das BMVI lässt in einer Studie die (verfassungs-)rechtlichen Grundlagen, die bestehenden Strukturen und Verfahren der Zusammenarbeit sowie des gegenseitigen Informationsaustauschs zwischen Bund und Ländern in der Hafenpolitik im nationalen und europäischen Handlungsraum untersuchen. Die Studie soll Vorschläge entwickeln, wie diese zukünftig ausgestaltet werden können, damit der Bund eine gesamtwirtschaftlich optimal ausgerichtete Hafenpolitik betreiben kann. Dabei geht es unter anderem um mögliche strukturelle, verfahrenstechnische und rechtliche Veränderungen. Die Länder werden in der Diskussion um eine neue Ausrichtung des Bund-Länder-Verhältnisses in der Hafenpolitik beteiligt.”
Fehlanzeige – das wird ja immer krasser. Das nationale Hafenkonzept strotzt ja nur so vor Kompetenzgerangel und Kleinstaaterei. Aber es geht noch einer darüber.
Das aktuelle Hafenkonzept mit seinen Infrastrukturplanungen soll auch in den Nationalen Verkehrswegeplan einfließen, der bis Ende März 2016 verabschiedet werden soll. Alle dort aufgeführten priorisierten Projekte erhalten Bundesgelder.
Was würden Sie jetzt sagen, wenn das aktuelle nationale Hafenkonzept beabsichtigen würde, erhebliche Steuermittel des Bundes für die verbesserte Verkehrsanbindung der Häfen von Rotterdam und Antwerpen bereitzustellen? Genau das passiert auf Seite 62 ff. So sollen “die Berücksichtigung der ZARA-Häfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) ost- und südeuropäischen Häfen bei der Infrastrukturplanung die Erreichbarkeit der Märkte insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern sicher” stellen. Dafür werden im Schienenverkehr auf Seite 63 die Betuwe-Anbindung über ein drittes Gleis, der Eiserne Rhein zwischen Antwerpen und Nordrhein-Westfalen sowie die Strecke Grenze NL/D-Kaldenkirchen – Viersen/Rheyd – Rheyd/Odenkirchen ausgebaut.
Ja, was denn jetzt? Arbeiten wir in Deutschland und Europa zusammen oder etwa gegeneinander? Container auf Schienen zu transportieren finden wir gut. Egal, ob die Container aus Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven, Antwerpen oder Rotterdam nach Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Ost- und Südeuropa gebracht werden sollen. Aber liebe Politiker in Europa, in den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Bundesländern, niederländischen und belgischen Landesteilen: Setzt Euch an einen Tisch und sprecht gemeinsam und einvernehmlich darüber, wie Güterströme über unser Europa verteilt werden sollen. Bezieht dabei zwingend Eure Bürger, Umweltverbände und Steuerzahler mit ein!
Macht doch mit uns gemeinsam einen gesamteuropäischen Plan und kein wirres, absurdes kleinstaatliches Gestammel bzw. Gerangel. Ihr könnt das gut! Das habt Ihr uns schon mit Glühbirnen, Euro-Geld, Schengen, der Wasserrahmenrichtlinie und SEPA-Zahlungsverkehr bereits mehr als bewiesen. Nehmt unser Angebot wahr und wir legen gemeinsam los!