“Insbesondere aber bitten wir dich für, die auf dem Wasser ihre Nahrung suche. Segne, segne die Fischerei auf der See und im Fluß, behüte Mann und Schiff in allen Gefahren!” So beginnt Gorch Fock’s bekannter Roman “Seefahrt ist Not!” über die Finkenwerder Fischerfamilie Mewes, der die harte Arbeitswelt eines Fischers auf See vor rund 100 Jahren schildert. Schnee von gestern?
In der heutigen hoch technisierten Schifffahrt würden wir erwarten, dass dieses wirklich Schnee von gestern ist. Insbesondere Schiffe unter dem vermeintlichen maritimen Qualitätssiegel “Deutsche Flagge” werden daher von uns Steuerzahlern mit hohen Steuersubventionen gestützt. Weitere Steuermilliarden werden für die norddeutschen schiffsfinanzierenden Landesbanken, wie bekannt bei der HSH-Nordbank oder nun neu bei der Bremer Landesbank versenkt. Ist denn die Schifffahrt, insbesondere die Deutsche, wirklich von derartig hoher Qualität, dass wir dafür diverse Steuermilliarden für Bankenrettung und Umweltzerstörung wie die Elb- und Weservertiefung ausgeben müssen?
Deutsche Flagge ist Qualität?
Einen internationalen Maßstab für die Qualität einer Flagge bilden die sogenannten Hafenstaatenkontrollen aus dem Paris Memorandum of Understanding. Klingt dramatisch, ist aber nicht kompliziert: Bei diesen Kontrollen besichtigen die beteiligten Staaten unangemeldet in ihren Häfen Schiffe unter ausländischer Flagge und prüfen durch Kontrolleure, ob Reeder und Flaggenstaat die internationalen Vorschriften zur Schiffssicherheit, zum Meeresumweltschutz und zu den Arbeits- und Lebensbedingungen von Seeleuten einhalten. In Deutschland wurden im Jahr 2015 im Rahmen der deutschen Hafenstaatenkontrolle rund 1.300 Schiffe auf ihre Sicherheit überprüft. Das sind nicht einmal 5% der eingelaufenen Schiffe. Ein Beispiel für ein Ergebnis einer derartigen Kontrollen können Sie hier nachlesen.
Wie schneiden denn Schiffe unter deutscher Flagge nun im internationalen Vergleich ab? Auf der Internetseite des o.a. Paris MoU werden Rankinglisten der Flaggenstaaten veröffentlicht. Die Liste des Jahres 2015 wurde am 8.6.2016 veröffentlicht. Zum Vergleich die Liste des Jahres 2013. Die deutsche Qualitätsflagge – im Jahr 2013 noch auf Platz 9 liegend – ist im Jahr 2015 auf Platz 15 abgestürtzt. Die beliebteste Billigflagge der vermeintlich deutschen Reeder, nämlich Liberia, ist ebenfall stark abgestürzt: von Platz 13 auf Platz 21. Es mutet schon befremdlich an, wenn die Qualität der Flaggenstaaten Bahamas oder der Marshall-Inseln vor der Qualität unseres Landes liegt. Ist das wirklich die von unseren regierenden Politikern mit Milliarden gestützte Wunschqualität von Schiffen unter “deutschem Markennamen”?
Es schüttelt uns – und noch vielmehr das Thema der deutschen Briefkastenfirmen. In dem aktuellen Zeit-Artikel “Mit allen Wassern gewaschen” ist zu lesen, warum diese Briefkästen von deutschen Reedern eingerichtet werden. Um ihre angestellten Seeleute um die vereinbarte Heuer zu prellen!
Aber wir wissen ja von Bankenverbandspräsident, Herr Michael Kemmerer und FDP-Vizeparteichef, Herr Wolfgang Kubicki warum das alles nötig ist: “Nehmen wir die Schifffahrt als Beispiel. Es soll weiterhin Handelsschiffe geben, die in deutschem Besitz sind. Wenn diese deutschen Schiffe unter Panama-Flagge fahren, brauchen sie eine Domizilgesellschaft im Land. Das heißt, es existiert eine sogenannte Briefkasten-Firma, bei der das Schiff registriert ist. Das organisieren alle Banken, die in der Schiffsfinanzierung engagiert sind, für ihre Reeder-Kunden.”
Nein, sehr geehrte Herren Kemmerer und Kubicki! Wenn Briefkastenfirmen dazu dienen, arbeitende Menschen um ihren gerechten Lohn zu bescheißen, dann hört der Spaß auf.
Sollte es in Deutschland für Reeder nunmehr ganz normal sein, keine Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge für beschäftigte Arbeitnehmer zahlen zu müssen, Zinsen und Tilgungen für (Schiffs-)Finanzierungen auf milliardenschwere Bankenrettungen durch den Steuerzahler abzuwälzen und keine Löhne mehr an Arbeitnehmer zu auszuzahlen, dann würden wir dieses Gebaren mit “Asozialiät” umschreiben.
Also kein Schnee von gestern, nur ganz anders. Für Seeleute unter deutschem “Label” und die deutsche Bevölkerung heißt es nun “Seefahrt ist Leiden!”