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Abstellgleis für Hamburg

BahngleiseDer Hafen wird nicht auf den starken Wachstumskurs des vergangenen Jahrzehnts zurückkehren. Die einstige Prognose von 25 Millionen umgeschlagenen Containern im Jahr 2025 war eine Illusion. Derzeit liegen wir bei knapp neun Millionen. Man hat das vergangene Wachstum einfach weit in die Zukunft hochgerechnet. Die Weltwirtschaft wächst aber nicht mehr um vier bis fünf Prozent pro Jahr, sondern um zwei bis drei. Es wird spannend sein zu verfolgen, wie sich durch Digitalisierung und 3-D-Druck Logistik- und Wertschöpfungsketten zurückbauen. Hamburg braucht mehr Industrie, Hochtechnologie und Dienstleistungen sowie deren Vernetzung im Hafen. Das ist die Zukunft der Ökonomie. Das alte Hafenkonzept als reiner Umschlagplatz ist tot. Dauerhaft zu sagen, wir sind ein Universalhafen, verkennt die Radikalität des Strukturwandels.

Diese Worte sprach nicht irgendwer, sondern der Geschäftsführer des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) Herr Henning Völpel, nachzulesen im Hamburger Abendblatt vom 30.05.2016 mit dem Titel “HWWI-Chef im Interview: “Das alte Hafenkonzept ist tot“. Folgt man diesen Worten von Herrn Völpel, sind für unsere Stadt und den Hafen neue Ideen und Planungen gefragt. Sicherlich ist damit nicht gemeint, die Hafenfläche durch den Bau von Wohnungen auf dem Kleinen Grasbrook  zu verkleinern oder die Elbe aufgrund von Umschlagsillusionen erneut zu vertiefen.

Hilfreich und inspirierend für eine Ideenfindung ist der ARTE-Film “Gigant des Nordens – Hamburgs Aufstieg zum Welthafen“. Die Veränderungen, die der Hamburger Hafen im Verlaufe seiner langen Geschichte erlebt hat sowie schlechte bzw. gute Einflussnahmen von Politik und Wirtschaft auf die Geschicke der Stadt, des Hafens und seiner Menschen (stellvertretend seien die menschenverachtende Cholera-Politik des Senates versus Albert Ballins moderner Geschäftsideen angeführt) werden faszinierend dargestellt.

Ideen haben wir aber in Hamburg und in Deutschland nicht. Und so mussten heute am 1. Juni 2016 die gegen die Elbvertiefung klagenden Verbände fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht Widerspruch gegen den zweiten Planergänzungsbeschluss vom 24.03.2016 einlegen.

Die Welt berichtet darüber. Der Autor dieses Artikels kommentiert den Widerspruch der Verbände mit dem Titel “Unser Land schwächt sich selbst“. Er wirft dafür die Hamburger Elbvertiefung, den Berliner BER sowie den Bahnhof Stuttgart21 in einen Topf, beklagt die widerspenstigen Bürgerinnen und Bürger mit ihren Verbänden und stellt einen undifferenzierten Vergleich mit dem heute eröffneten Gotthard-Basistunnel an.

Dieser Kommentar bestärkt mit den üblichen Platitüden die ideen- und gedankenlose Politik in unserem Lande und in unserer Stadt. Für uns hat genau diese Politik zu der vom Kommentator angeführten Schwächung geführt. Der Vergleich mit dem Gotthard-Basistunnel wirkt dabei absurd.

Dieses schweizer Projekt sollte für Hamburg und Deutschland ein Beispiel sein, wie so ein Denk- und Umsetzungsprozess angegangen werden könnte. Auf Tagesschau.de ist im Artikel “Lang. Tief. Teuer. Schnell. facettenreich nachzulesen, welche Ideen und Visionen hinter dem Bau dieses mit 57 Kilometern längsten Tunnels der Welt stehen und wie die vom Bau betroffene Bevölkerung und die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz eingebunden wurden. Die Schweiz scheint mit dem Bau des Tunnels ein Beispiel für die von Herrn Völpel “gewünschte Modellregion für eine innovative urbane Bürgergesellschaft” zu geben. Die Schweiz setzt dabei auf die Vision “Bahnverkehr” – einen Verkehrsträger, den die HHLA mit ihrer Tochtergesellschaft Metrans gerade wieder entdeckt hat.

Obwohl der Tunnel scheinbar nichts mit dem Hamburger Hafen zu tun hat, können wir in dem Artikel zum Gotthard-Basistunnel erfahren, warum in Deutschland eine derartige ideenlose Politik betrieben wird. “Kritiker vor allem in den Niederlanden vermuteten, dass Deutschland mit der Verzögerung vor allem den Hamburger Hafen als Konkurrenten Rotterdams schützen wollte.” ist zu lesen. Ja, die Niederländer und ihre Interessen!

Nein, es geht um Deutschland, den Hamburger Hafen und seinen Bahngüterverkehr, hier die Rheinschiene. Dieses ist die deutschen Bahntrasse von Basel über Karlsruhe nach Mannheim, deren vierspuriger Trassenausbau zu Gunsten von Stuttgart21 auf Halde gelegt wurde. Das ARD-Radio Feature “Abstellgleis für alle” aus 2012 beschreibt diese von ideenlosen Politkern getroffene Entscheidung für Deutschland auch im europäischen Kontext. Sie können dieses hörenswerte Feature beim SWR weiterhin nachhören.

Also Hamburg und sein Hafen brauchen Ideen! Wir freuen uns darauf, dass der rot-grüne Senat nun endlich zu einer parteiübergreifenden öffentlichen Diskussion aufrufen wird…

Nationales Hafenkonzept

DeutschlandAm 20.01.2015 wurde das 135 Seiten starke “Nationale Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen 2015” der Bundesregierung durch das Bundeskabinett verabschiedet. Das federführende Bundesverkehrsministerium (BMVI) erläutert die Fortschreibung des bisherigen Konzeptes aus dem Jahr 2009 mit sehr wenig Leidenschaft auf seiner Internetseite: “Insgesamt sollen 155 Einzelmaßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Hafenwirtschaft umgesetzt werden. Das Nationale Hafenkonzept unterstützt alle Akteure bei der Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen und bietet einen gemeinsamen Handlungsrahmen.” Was steckt hinter den Schlagworten und Bulletpoints dieses lang erwarteten Konzepts, das doch immerhin “zum Wohlstand und zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands” in hohem Maße beitragen soll?

Nicht viel, wenn wir das verhaltene Medienecho verfolgen. Immerhin finden wir etwas im Regionalteil der Welt, im THB und bei Hamburg-Hafen-Marketing. An vorderster Stelle der Hamburger Berichterstattung steht –  wenig überraschend – die Elbvertiefung…

Hamburg Bund 2Unsere Befürchtungen, dass dieses brandneue Hafenkonzept wieder auf alten Prognosen mit exorbitanten Umschlagszuwächsen basiert, werden auf Seite 18 bestätigt. Es ist diesmal die Verflechtungsprognose 2030, die in ihrem Erstellungsjahr 2012 noch als “moderat” galt und nach nur drei Jahren für das abgelaufene Jahr 2015 völlig überhöhte Werte ausweist. “Die Seeverkehrsprognose geht davon aus, dass sich der Containerumschlag in deutschen Häfen zwischen 2010 und 2030 etwa verdoppeln wird. Dieses Wachstum wird fast ausschließlich in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven generiert.” steht auf Seit 16. Schade, eine einfache Recherche in den Tageszeitungen des letzten Jahres hätte für eine regierungsamtliche Erkenntnis reichen können, dass diese Annahmen aufgrund von Marktentwicklungen und Marktsättigung schlicht und einfach falsch sind.

In einigen deutschen Seehäfen zeigen sich allerdings im Containerbereich nach der Krise vorübergehende Engpässe bei der Abfertigung. Dabei spielen auch die immer größer werdenden Containerschiffe eine wichtige Rolle, die dazu führen, dass eine höhere Anzahl von Containern gleichzeitig verladen werden muss. Die deutschen Häfen können ihre hervorragende Wettbewerbsposition nur halten, wenn es auch weiterhin gelingt, die Umschlagkapazitäten bedarfsgerecht zu erweitern und die zunehmenden Spitzenbelastungen abzufangen.” ist im Hafenkonzept vermerkt. Aber was verdient ein deutscher Umschlagsbetrieb wie Eurogate und HHLA an diesen Erweiterungen für große Containerschiffe?

HHLA-Chef Herr Klaus-Dieter Peters schilderte dieses vor dem Bürgerschaftsausschuss für Öffentliche Unternehmen am 14.01.2016 aus Sicht der HHLA: “Wir sitzen hier in einer Investitionsfalle. Weil diese (Aufrüstungs-) Investitionen, …, kosten, Daumen, um die 60 bis 70 Millionen. Diese Investitionen bringen uns weder Kapazitätsvorteile- noch bringen sie uns Produktivitätsvorteile. Diese Investitionen werden ausschließlich, lassen Sie mich das Wort „erzwungen“ benutzen, durch das Schiffsgrößenwachstum. Für uns als Hafenbetreiber entstehen hier ausschließlich Kosten und kein Nutzen.” Klare Worte von Jemandem, der es wissen muss! Dass Hamburg daran dann gar nichts mehr verdient, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Das neue Hafenkonzept basiert also auf überholten Prognosen und fordert Infrastruktur-Investitionen in den Häfen, die sich nicht rechnen. Prima, aber es geht noch weiter:

Im Hafenkonzept landen wir in Kapitel “1.3. Ausbau der seewärtigen Zufahrten forcieren” auf Seite 52 ff. “Damit der Hamburger und die bremischen Häfen weiterhin Mega-Containercarrier abfertigen und im Wettbewerb bestehen können, ist die Umsetzung der geplanten Fahrrinnenanpassungen an Außen- und Unterelbe sowie der Außenweser erforderlich. Ohne die Vertiefung der Fahrrinnen von Elbe und Außenweser würden die Logistikstandorte in Hamburg und Bremerhaven von der Entwicklung abgekoppelt.” Ja, dann lasst est doch. Was sich nicht rechnet, brauchen wir doch nicht, oder?

Europa1Aber dann wird gedroht und gleichzeitig die gesamte europäische und deutsche Hafen- und Verkehrspolitik auf den Kopf gestellt: “In diesem Fall wären eine Verlagerung der Verkehre nach Rotterdam und Antwerpen und zunehmende Landverkehre zu befürchten, um die dort etablierten, zentralen Drehscheiben des Güterverkehrs zu nutzen. Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven könnte die diesbezüglichen Leistungen Hamburgs und Bremerhavens nicht ersetzen. Er bildet ein eigenständiges und zusätzliches Angebot in den Logistikketten des zunehmenden Containerumschlags.” Wie bitte? Im Jade-Weser-Port wurden Steuermilliarden versenkt und noch weitere in der Hinterlandanbindung. Und das soll alles für die Katz gewesen sein? Eine Lösung soll es sein, wenn in alle Häfen Milliaren versenkt werden – haben wir nicht gerade andere Aufgaben zu bewältigen?

Ein nationales Hafenkonzept intendiert doch zumindest etwas von politischer Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Küstenbundesländern, aber auch zu einer Kooperation zwischen den deutschen Häfen. Auf Seite 36 ff. finden wir unter der Überschrift “Koordinierung der Hafenpolitik” Aussagen zu dieser bisherigen, seit dem letzten Hafenkonzept aus 2009 praktizierten Zusammenarbeit:

In den letzten Jahren verzeichnet das BMVI einen starken Aufgabenzuwachs in Angelegenheiten der See- und Binnenhäfen. Deshalb streben Bund und Länder eine engere Zusammenarbeit an und beabsichtigen zu neuen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in der Hafenpolitik zu kommen. Die Länder planen zum Beispiel Entwicklungsmaßnahmen für Ihre See- und Binnenhäfen, die Auswirkungen auf vom Bund zu finanzierende Infrastrukturinvestitionen haben, ohne dass der Bund über diese Planungen der Länder rechtzeitig umfassend informiert oder daran beteiligt wird. Auch die marktgerechte Verlagerung von Güterverkehr auf Schiene und Wasserstraße bei zukünftig zu erwartendem Umschlagwachstum erfordert eine stärkere Verknüpfung von Bundes- und Landesplanungen. Beim Ausbau der Hafeninfrastrukturen für die Offshore-Windenergie, der durch EU-Recht vorgegebenen Herstellung eines Netzes von LNG-Tankstellen für die Schifffahrt sowie dem Aufbau einer Landstromversorgung für Fahrgastschiffe fordern die Länder Unterstützung des Bundes. Jedoch wird dieser bisher nicht ausreichend in die entsprechenden Planungen der Häfen eingebunden.

Nein, das klingt nicht nach einer Zusammenarbeit auf nationaler Ebene. Weder zwischen dem Bund und den Bundesländern, noch zwischen den Bundesländern und ihren Häfen untereinander. Ist den wenigstens für Europa eine gemeinsame Arbeit zwischen dem Bund und den Ländern erkennbar?

“Der Bund ist unter anderem für die See- und Binnenschifffahrt, die Logistik und die Vertretung der Interessen der Häfen und der Bundesländer gegenüber den europäischen und internationalen Institutionen verantwortlich, hat aber zu wenig Möglichkeiten, die Hafenpolitik mit Blick auf die Gesamtwirtschaft mitzugestalten. Angesichts der Forderungen der Länder nach einem Ausbau von Verkehrsinfrastrukturen (Ahrensburger Liste, Düsseldorfer Liste) und Hafeninfrastrukturen sollte der Bund stärker in die Hafenplanungen der Länder eingebunden werden. Mit Blick auf den zunehmenden europäischen und nationalen Einfluss auf die Hafenpolitik haben auch die Länder einen Anspruch gegenüber dem Bund, dass sie stärker in die hafenpolitischen Planungen des Bundes eingebunden und Informationen möglichst frühzeitig und umfassend weitergegeben werden. Das BMVI lässt in einer Studie die (verfassungs-)rechtlichen Grundlagen, die bestehenden Strukturen und Verfahren der Zusammenarbeit sowie des gegenseitigen Informationsaustauschs zwischen Bund und Ländern in der Hafenpolitik im nationalen und europäischen Handlungsraum untersuchen. Die Studie soll Vorschläge entwickeln, wie diese zukünftig ausgestaltet werden können, damit der Bund eine gesamtwirtschaftlich optimal ausgerichtete Hafenpolitik betreiben kann. Dabei geht es unter anderem um mögliche strukturelle, verfahrenstechnische und rechtliche Veränderungen. Die Länder werden in der Diskussion um eine neue Ausrichtung des Bund-Länder-Verhältnisses in der Hafenpolitik beteiligt.”

Fehlanzeige – das wird ja immer krasser. Das nationale Hafenkonzept strotzt ja nur so vor Kompetenzgerangel und Kleinstaaterei. Aber es geht noch einer darüber.

Das aktuelle Hafenkonzept mit seinen Infrastrukturplanungen soll auch in den Nationalen Verkehrswegeplan einfließen, der bis Ende März 2016 verabschiedet werden soll. Alle dort aufgeführten priorisierten Projekte erhalten Bundesgelder.

Was würden Sie jetzt sagen, wenn das aktuelle nationale Hafenkonzept beabsichtigen würde, erhebliche Steuermittel des Bundes für die verbesserte Verkehrsanbindung der Häfen von Rotterdam und Antwerpen bereitzustellen? Genau das passiert auf Seite 62 ff. So sollen “die Berücksichtigung der ZARA-Häfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) ost- und südeuropäischen Häfen bei der Infrastrukturplanung die Erreichbarkeit der Märkte insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern sicher” stellen. Dafür werden im Schienenverkehr auf Seite 63 die Betuwe-Anbindung über ein drittes Gleis, der Eiserne Rhein zwischen Antwerpen und Nordrhein-Westfalen sowie die Strecke Grenze NL/D-Kaldenkirchen – Viersen/Rheyd – Rheyd/Odenkirchen ausgebaut.

Ja, was denn jetzt? Arbeiten wir in Deutschland und Europa zusammen oder etwa gegeneinander? Container auf Schienen zu transportieren finden wir gut. Egal, ob die Container aus Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven, Antwerpen oder Rotterdam nach Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Ost- und Südeuropa gebracht werden sollen. Aber liebe Politiker in Europa, in den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Bundesländern, niederländischen und belgischen Landesteilen: Setzt Euch an einen Tisch und sprecht gemeinsam und einvernehmlich darüber, wie Güterströme über unser Europa verteilt werden sollen. Bezieht dabei zwingend Eure Bürger, Umweltverbände und Steuerzahler mit ein!

Macht doch mit uns gemeinsam einen gesamteuropäischen Plan und kein wirres, absurdes kleinstaatliches Gestammel bzw. Gerangel. Ihr könnt das gut! Das habt Ihr uns schon mit Glühbirnen, Euro-Geld, Schengen, der Wasserrahmenrichtlinie und SEPA-Zahlungsverkehr bereits mehr als bewiesen. Nehmt unser Angebot wahr und wir legen gemeinsam los!