Als Hinterland für den Hafenumschlag von Hamburg wird immer Mitteleuropa mit den Staaten Tschechien, Slowakei, Österreich und Ungarn benannt. Aus den glänzenden Wachstumsperspektiven insbesondere dieser Region wird ein steigender Containerverkehr über den Hamburger Hafen und damit die angebliche Notwendigkeit der Elbvertiefung abgeleitet. Dieses vermeintlich ureigene Hamburger Hinterland haben auch andere Häfen im Visier – und das mit viel Geld und starkem Eigeninteresse.
Die HHLA versucht seit einiger Zeit still und heimlich an dieser Entwicklung teilzuhaben. Nein, nicht durch Investitionen in der Sparte “Container” am Standort Hamburg. Vielmehr wird Geld in die Sparte “Intermodal” für den Bau neuer Bahn-Terminalstandorte in den Ländern Mitteleuropas und den immensen Ausbau der HHLA-Bahngesellschaft “Metrans” gestopft. Nach dem im Januar 2015 in Betrieb genommenen Metrans-Terminal in der nordtschechischen Elbstadt Usti nad Labem folgt nun der Neubau eines Metrans-Terminal in Budapest. Warum das erfolgt, erfahren wir vom HHLA-Vorstand Herrn Klaus-Dieter Peters in einem Welt-Interview. Im letzten Absatz ist dort zu lesen:
“Von dem Terminal in Ungarn erhofft sich der HHLA-Chef, neben der Erweiterung des eigenen Netzes, einen zusätzlichen strategischen Vorteil. 2014 unterschrieben die Regierungschefs von China, Serbien und Ungarn einen Vertrag zum Ausbau des Schienennetzes zwischen Belgrad und Budapest vor allem auch mit chinesischer Hilfe. Ziel dessen ist unter anderem, den griechischen Hafen von Piräus enger an Europa anzubinden. In Piräus betreibt die chinesische Reederei Cosco einen Containerterminal. Würden die Pläne zum Ausbau der Güterbahntrasse von Süden her realisiert, säße man mit dem Terminal in Budapest an einer wichtigen Schnittstelle, sagte Peters.”
Ach nee – zum ersten Mal spricht es in Hamburg ein Verantwortlicher selber aus! Aber das ist noch nicht alles. Zuvor hatte Herr Peters hat noch weitere Erkenntnisse: “Immer mehr Häfen in Europa entwickeln sich zu direkten Konkurrenten des Hamburger Hafens, vom polnischen Gdansk bis zu Triest und Koper an der Adria. Reedereien und Logistikunternehmen testen fortwährend die Wirtschaftlichkeit neuer Routen vom Überseetransport nach Europa hinein. Die HHLA, Hamburgs wichtigster Hafenlogistik-Konzern, versucht, sich am Umschlag in anderen Häfen vor allem auf der Schiene zu beteiligen.“
In dem Weltinterview wird mit keinem Wort die ausstehende “Elbvertiefung” oder der “Ausbau der Mittelelbe” erwähnt. Komisch, oder? In einem weiteren Weltartikel finden wir doch noch ein paar Hinweise zur alten Elbvertiefungs-Rhetorik von Herrn Peters. Es gibt aber auch erstaunliche Sätze: “Ich bin immer irritiert, wenn in der öffentlichen Diskussion über kurzfristige Mengenentwicklungen gesprochen wird. Eine Betrachtung von Quartal zu Quartal ist relativ sinnlos. Um ein deutliches Bild zu bekommen, muss man längere Zeiträume berücksichtigen. Wir haben in den vergangenen Jahren in unserer Region kontinuierlich Marktanteile hinzugewonnen. Klar ist aber auch: Wir werden in Hamburg wie auch in ganz Nordeuropa die zweistelligen Wachstumsraten, die wir bis zum Krisenjahr 2008 hatten, auf absehbare Zeit nicht mehr erleben. Dafür gibt es auch strukturelle Gründe. So ist der Grad der Containerisierung praktisch nicht mehr zu steigern, und viele Märkte in Europa sind gesättigt – wir können aus China nur das importieren, was hier auch verkauft wird.”
Das klingt doch sehr einsichtig und nachvollziehbar. Die Elbvertiefung wurde im Jahre 2006 für exorbitante Steigerungsraten im Containerumschlag geplant. Diese sind nun in zehn Jahren nicht aufgetreten. Im Gegenteil – der Umschlag tritt konstant auf der Stelle. Ein Zeitraum von zehn Jahren kann somit auch von einem Herrn Peters nicht als kurzfristig bezeichnet werden. Ist Herr Peters jetzt auch ein Zweifler der Notwendigkeit der Elbvertiefung? Das wohl nicht – aber immerhin gibt er bekannt: “2014 haben wir etwa gleich viel in die Bahnverkehre investiert wie in unsere Containerterminals.” Eine derartige Feststellung spricht doch Bände, oder?
PS: Außenminister Szijjártó, der im Artikel der Budapester Zeitung das Engagement der HHLA und Metrans so lobt, ist derselbe Minister, der die Schließung derungarischen Grenze zu Serbien mit Nato-Draht, der die drastische Bestrafung von Grenzübertritten und der Schließung der Grenze nach Rumänien als begründet rechtfertigt. Menschen in Not brauchen anscheinend seine Aufmerksamkeit nicht, Wirtschaftsunternehmen hingegen schon.