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Elbvertiefungskosten verdoppelt

20141221_3414 (2015_06_07 11_52_41 UTC)Seit dem Jahr 2006 warten wir auf eine belastbare Kostenangabe für die Elbvertiefung.

Während der Hamburger Senat fast jährlich seine Kosten aktualisiert, ist bei dem Hauptkostenträger der Elbvertiefung, dem Bundesverkehrsministerium, seit einer Anfangsschätzung aus dem Jahre 2006 keine Aktualisierung vorgenommen worden. Bis gestern wurde der Bundesanteil, der entsprechend den Planungsunterlagen aus dem Jahre 2006 etwa das Doppelte des Hamburger Anteils von aktuell 218,5 Mio. Euro betragen soll (2/3 – 1/3 Kostenaufteilung), in den Haushaltsplanungen des Bundes der letzten zehn Jahre unverändert mit 248 Mio. Euro ausgewiesen.

Am 16.03.2016 hat der Bundesverkehrsminister Herr Alexander Dobrindt nun den neuen Bundesverkehrswegeplan 2030 vorgestellt und damit auch eine neue Kostenschätzung für den Bundesanteil ausgewiesen. Und siehe da: die Kosten für den Bund haben sich nun doch binnen der vergangenen zehn Jahre erhöht. Und zwar nicht unsportlich: mit über 150 Mio. Euro Kostensteigerung soll der Bundesanteil nun um 60% steigen und somit knapp 400 Mio. Euro betragen.

Die Zahlenwerte finden wir im Bundesverkehrswegeplan auf Pdf-Seite 56 (Berichtsseite 43) und in der Anlage auf Pdf-Seite 191 (Berichtsseite 178). Na ja, mag man meinen: die Preise sind ja auch in den letzten zehn Jahre gestiegen…

Wer von Ihnen kann sich in den vergangenen zehn Jahren an Einkommens- und Preissteigerungen von durchschnittlich 6% p.a. erinnern…?

Zur Erinnerung:  In der vorab erstellten Machbarkeitsstudie der Elbvertiefung aus dem Jahre 2004 war zu lesen: “Die Gesamtkosten der Variante 4.4 betragen bezogen auf einen Preisstand 1999 inklusive der 80 Mio. € für den Bereich der Freien und Hansestadt Hamburg einschließlich Mehrwertsteuer 310 Mio. €. Davon sind 231,5 Mio. € für Ausbaubaggerung und Strombau veranschlagt. Hierbei handelt es sich um eine deutlich auf der sicheren Seite liegende Kostenermittlung.” Aktuell belaufen sich die planerischen Gesamtkosten für die Elbvertiefung, d.h. Hamburgs Anteil von 218,5 Mio. Euro zuzüglich des Bundesanteils von 398,1 Mio. Euro, auf 616,6 Mio. Euro. Das ist nahezu eine Verdoppelung binnen 12 Jahren, also eine Preissteigerung von sogar über acht Prozent p.a.. Dabei ist in dieser Kostenbetrachtung keinerlei, im Sinne von Hafen21, erforderlicher weiterer Infrastrukturausbau einbezogen.

Wer von Ihnen kann sich in den vergangenen zwölf Jahren denn an Einkommens- und Preissteigerungen von durchschnittlich 8% p.a. erinnern…? Keiner? War da nicht sogar aktuell etwas mit der “Nullzinspolitik” der Europäischen Zentralbank?

Elphi1Wenn Sie sich jetzt immer noch nicht erinnern können, denken Sie einfach an die Elbphilharmonie. Da konnte (oder wollte?) sich ja auch kein Politiker in den vergangenen zehn oder zwölf Jahren derartige Kostenexplosionen vorstellen. Gekommen sind diese trotzdem.

Warum? Ja, das nennt man auf Hamburgisch “kostenstabiles Bauen”. Früher hieß das einfach nur “Schönrechnen”. Egal was es ist – die Zeche dieser unsinnigen und abenteuerlichen Verkehrspolitik in Sachen Elbvertiefung zahlen wir gemeinsam mit unserer Umwelt .

Mitgliederversammlung

KöhlbrandbrückeHapagDer Zentralverband der deutschen Schiffsmakler (ZVDS) und der Verband Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten (VHSS) haben am 19.03.2015 ihre Mitgliederversammlungen im Hamburger Hafen-Klub abgehalten.  Einer Pressemitteilung von Hafen-Hamburg und einem Artikel im Hamburger Abendblatt entnehmen wir die Kernaussagen des  Vorsitzenden bzw. Vorstand Herrn Christian C. Koopmann. Wir erfahren, welche Sicht die Mitglieder des ZVDS bzw. VHSS auf Hamburg und seine Menschen haben:

  • Olympia und Nachnutzung des Kleinen Grasbrook:Es bedürfe einer “dringenden” Klarstellung dahingehend, dass nicht die Hafenbetriebe oder Schiffe, sondern die Wohnungen die Störer sind”, 
  • Koalition und Elbvertiefung:Trotz aller Zweifel hat der mögliche neue Koalitionspartner sich dazu verpflichtet, dass im Falle eines Beschlusses durch das Gericht alle Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, um die Elbvertiefung umzusetzen. Das ist ein ganz wichtiger Beschluss für den Hamburger Hafen”,
  • Ökologische Standards im Hafen:Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Senat sich einmal das Ziel gesetzt hätte, nicht nur den umweltfreundlichsten Hafen der Nordrange zu repräsentieren, sondern auch den kostengünstigsten.
  • Verkehrsinfrastruktur:Wenn der Bund seine eigenen Prognose zur Entwicklung des Güteraufkommens wirklich ernst nehme, dann müsste dem Ausbau der Verkehrswege von und zu den Seehäfen höchste Priorität eingeräumt werden.

Es macht den Eindruck, als würde Herr Koopmann, nur wenig von den in Hamburg lebenden Menschen halten und meinen, dass sich das aus unserer sozialen Marktwirtschaft abgeleitete “Primat der Politik” den Interessen der Verbände seiner Hafenwirtschaft unterzuordnen hat. In derartigen Weltbildern sind Menschen einfach nur Wirtschaftssubjekte, die ausschließlich zu funktionieren haben: Konsumieren und produktiv sein ist deren Aufgabe. Mit einer unglaublichen Arroganz glauben derartige Wirtschaftsvertreter ihre wirtschaftlichen Interessen über z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Grundgesetz stellen zu dürfen.

Hamburgs Hafen ist ein Stadthafen, der auch schon vor den Olympiaplanungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Wohngebieten in Hamburgs Elbvorten, Finkenwerder, der Hafen-City, Wilhelmsburg und Veddel liegt. Die Abgasbelastungen der Anwohner aus den Hafen- und Schiffsverkehren sollen nach Meinung der Wirtschaftsführer und des Senates “Peanuts” sein, obwohl diverse europäische wissenschaftliche Studien genau das Gegenteil ermittelt haben.

In einer Studie des dänischen CEEH-Institutes aus dem Jahre 2011 wird die Zahl der vorzeitigen jährlichen Todesfälle durch Schiffabgase in Europa mit rund 50.000 Menschen angegeben. In dem Ergebnisbericht der Aphecomstudie zu 25 europäischen Städten mit 39 Mio. Einwohnern aus dem Jahr 2011 wird ermittelt,

  • dass in diesen 25 Städten allein durch die Überschreitung der PM25-Feinstaub-Grenze von 10μg/m3 rund 19.000 Menschen jährlich sterben und 15.000 Herzerkrankungen entstehen,
  • in 10 Städten ein Anstieg der Asthmaerkrankungen von Kindern und Jugendlichen unter 17 Jahren um 15 bis 30% festzustellen ist,
  • in 20 Städten durch die EU-Schwefelgesetzgebung rund 2.200 Todesfälle verhindert werden konnten.

Wer dann, wie Herr Koopmann, feststellt, dass nicht die Hafenbetriebe oder Schiffe, sondern die Wohnungen die Störer sind, und sich dann noch wünscht, nicht nur den umweltfreundlichsten Hafen der Nordrange zu repräsentieren, sondern auch den kostengünstigsten,  darf sich nicht wundern, wenn er die wenig ehrenvolle Bezeichnung eines “Hochtöners” der Hafenwirtschaft zuerkannt bekommt.

Kassensturz?

Wie NDR 90,3 und das Hamburger Abendblatt gemeinsam berichten, scheint es im Bundeshaushalt kein Budget für die 9. Elbvertiefung zu geben. DerHamburgSüd Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, der zugleich Mitglied des Haushaltsausschusses ist, relativiert diese Aussage im NDR-Gespräch: in 2015 würden aufgrund der Fristen für die  europaweite Ausschreibung der Bauaufträge nur geringe Bundesmittel erforderlich sein. Ein Baubeginn würde somit erst im Herbst 2015 möglich sein.

Wir fragen uns, was dieser Aufmacher “Elbvertiefung: Ein Großprojekt ohne Budget” dieser beiden Medien soll?! Außerdem wird weder von NDR 90,3 noch vom Abendblatt bemerkt, dass der bislang angegebene Bundesanteil für die Elbvertiefung von 248 Mio. Euro um über 50 Mio. Euro auf 300 Mio. Euro angestiegen ist. Noch befremdlicher ist, dass NDR 90,3 und das Abendblatt, die die Hamburger Vertiefungskosten noch Anfang Juli 2014 aus einem Interview mit Wirtschaftssenator Horch zwischen 250 bis 300 Mio. Euro sowie die Gesamtkosten mit bis zu 900 Mio. Euro beziffert hatten, jetzt unhinterfragt den Gesamtbetrag von 500 Mio. Euro übernehmen.

Den Bogen für diese unsinnigen Beiträge bekommt man, wenn man das Ergebnis des “gemeinsamen Rechercheprojektes” zwischen Hamburger Abendblatt und NDR 90,3 mit dem Titel “Was der Hamburger Hafen für ganz Deutschland leistet” nachliest. Für den Bundesverkehrswegeplan 2015 wird in diesen Tagen und Wochen von den Landespolitikern um die Verteilung der Bundesmilliarden gerungen. Die Hamburgischen Interessen sollen nach vorne gebracht werden – auch wenn Stuttgart und Düsseldorf doch deutlich näher an den ZARA-Häfen (Zeebrugge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) liegen.

Die angeführten NRW-Grünen haben aber für ihr Bundesland gute Argumente, die sich inhaltlich nur wenig von den hamburgischen Argumenten unterscheiden. Wie wäre es denn mit einem europäischen Hafenkonzept?