In einer gemeinsamen Pressemitteilung des Bundesumwelt- und -verkehrsministeriums vom 18.01.2017 erfahren wir, dass sich Bund und Länder auf das “Gesamtkonzept Elbe” verständigt hätten. “Mit dem Gesamtkonzept Elbe wird dem Fluss eine langfristige Entwicklungsperspektive gegeben. Es sieht neue Leitlinien und Maßnahmen für die Nutzung der Elbe vor, um die Interessen der Binnenschifffahrt, der Wasserwirtschaft und des Naturschutzes miteinander in Einklang zu bringen. Außerdem garantiert es einen Beteiligungsprozess, der sicherstellt, dass Interessenvertreter und die breite Öffentlichkeit in die Umsetzung von Maßnahmen einbezogen werden. Damit ist auch die gemeinsame Weiterentwicklung des Gesamtkonzepts verankert.”
Was beinhaltet denn nun dieses Gesamtkonzept Elbe? Vorab, der Unterelberaum von der Staustufe Geesthacht bis zur Nordsee gehört nicht zu dem Gesamtkonzept Elbe. Vielmehr geht es um die Mittel- und Oberelbe zwischen Geesthacht und der tschechischen Grenze bei Schmilka. Klar, es geht um die Schiffbarkeit der Elbe, und zwar um die ominösen 1,60 Meter Fahrwassertiefe, die der Binnenschifffahrt verlässlich an mindestens 345 Tagen pro Jahr zur Verfügung stehen sollen. Diese aufgrund der Wasserstände der letzten Jahre utopisch anmutende Forderung der Wirtschaft stand dem Wunsch der Bevölkerung, Kirchen und Umweltverbände nach einer Elbe gegenüber, die die katastrophalen “Jahrhundert”-Überflutungen durch Schaffung von naturnahen Überschwemmungsräumen sowie einem deutlich weniger regulierten Flussbett auffängt.
Im Gegensatz zur Elbvertiefung an der hiesigen Unterelbe, wählte die Politik für diesen Interessenkonflikt an Mittel- und Oberelbe einen anderen Lösungsweg. Statt dem bei der Elbvertiefung an der Unterelbe praktizierten kompromisslosen Frontalangriff mit Maximalforderung, wurde dagegen an Mittel- und Oberelbe das Gespräch zwischen den o.a. Konfliktparteien gesucht. Das “Gesamtkonzept Elbe” finden Sie -> hier.
Nach drei Jahren gemeinsamer Arbeit zwischen den beiden Lagern ist eigentlich noch nichts fertig. Aber man hat sich schon auf Einiges einigen können. Am Besten gibt das die Erklärung der Kirchen wieder: “Die konsequente Nutzung des ESK (Elbe-Seiten-Kanal) wird die Berechenbarkeit der Transportleistungen der Güterschifffahrt und damit die Wirtschaftlichkeit der Binnenschifffahrt in diesem Flussgebiet verbessern und stärkt die Binnenschiff als planbares Transportmittel für die anliegende Wirtschaft. Parallel dazu werden Gestaltungsräume für Umweltmaßnahmen im Fluss- und Auenabschnitt nördlich Magdeburg bis Geesthacht geschaffen.” Die Umweltverbände und unsere Freunde von der Bürgerinitiative “Pro Elbe” ergänzen in ihrem Statement: “Im Weiteren gehen die Umweltorganisationen und die Bürgerinitiative Pro Elbe davon aus, dass das an der Elbe geltende verkehrliche Ausbaumoratorium weiterhin Bestand hat.”
Auch bei der Handelskammer Hamburg, die im Rahmen ihrer Interessenvertretung für die Hamburger Hafenwirtschaft für die Logistikanbindungen auf Mittel- und Oberelbe eine weitere Institution aus dem Boden gestampft hatte, die Kammerunion Elbe Oder, ist zufrieden. Laut aktueller Handelskammer-Pressemitteilung wird das Gesamtkonzept sogar als riesiger Erfolg tituliert.
Es scheint wirklich ein Erfolg zu sein. Nicht nur, dass Bürger, Kirchen und Umweltverbände mit Vertretern der Wirtschaft, begleitet von Bundes- und Landesverkehrsministerien an einem Tisch saßen. Nein, zum ersten Male war bei einem Fluss-Vertiefungsprojekt sogar ein Umweltministerium mit am Tisch. Wir halten den Interessenvertretungen der Elbe die Daumen, dass dieses positive Erlebnis im nun folgenden Prozess, in welchem es um die konkreten Umsetzungsmaßnahmen geht, weiter anhält.
All dieses haben wir an der Unterelbe bislang nicht erleben dürfen. Hier ging es nur “hamburgisch derb” zu – mit einer Bierwerbung gesprochen: “Keine Kompromisse“. Bürgerängste vor Hochwassergefahren und Be- und Entwässerungsproblemen, Arbeitsplatzverlusten bei Obstbau, Landwirtschaft, Tourismus und Fischerei, Verlust von Freizeitrevieren, gefährdete Pflanzen- und Tierarten wurden an der Unterelbe mit einem Federstrich weggewischt.
Um beim Bier zu bleiben: “Elbvertiefung light” war für Politik und Hafenwirtschaft Teufelszeug und nicht diskutabel. Umweltbefindlichkeiten werden in Hamburg ausschließlich von der Verkehrs- und Wirtschaftsbehörde gelöst.
Schade, dass immer Gerichte in die Lage gebracht werden, derartige handwerkliche Fehler und Blockaden der Politik korrigieren zu müssen.