Um das Anfang Mai 2015 gestartete Planfeststellungsverfahren “Altenwerder West“, das die Abholzung des Waldes an den Vollhöfner Weiden zu Gunsten von Logistikflächen beinhaltet, ist es in der hiesigen Öffentlichkeit sehr ruhig geworden. Verdächtig ruhig!
Eine Schriftliche Kleine Anfrage in der Bürgerschaft hat zum Planungsstand nachgefragt. Obwohl das Amt des Umweltsenators seit Mitte April in grüner Hand liegt, erhalten wir zu einem urgrünen Thema, der Erhaltung eines Waldes, arrogante und nichtssagende Antworten. Es werden sogar Unwahrheiten behauptet und es gibt etwas Neues!
Zur Neuigkeit
Im Planfeststellungsverfahren “Altenwerder West” wurden der Öffentlichkeit bislang nur drei Entwurfsunterlagen präsentiert: die Änderung der Hafenplanungsverordnung samt Kartenanlage, eine Karte über das Plangebiet Vollhöfener Weiden und eine Strategische Umweltprüfung (SUP).
Zeitgleich zu den Senatsantworten wurden auf den HPA-Seiten für den Wald an den Vollhöfener Weiden nun eine “Biotoptypenkartierung, Erfassung der Rote-Liste-Pflanzenarten, Erfassung der Fauna” und ein “Schalltechnisches Gutachten” veröffentlicht. Ach nee – warum wurden diese Unterlagen denn nicht der Öffentlichkeit schon zu deren Stellungnahme im Mai 2015 bereitgestellt? Na, ganz einfach.
- Die Biotoptypenkartierung stellt zusammenfassend in Kapitel sechs fest, was jeder Mensch mit bloßen Augen bei Betrachten des Waldes erkennen würde:
38 Biotoptypen wurden erkannt, von denen elf zu den „besonders geschützten Biotopen“ gemäß Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EG zugeordnet werden. Zudem wurden unglaublich viele Betroffenheiten zur Roten-Liste (RL) nachgewiesen: acht Pflanzenarten, 50 Brutvogelarten (davon fünf RL-Arten), sieben Fledermausarten (davon fünf RL-Arten), 16 Libellenarten (davon vier RL-Arten), 14 Heuschreckenarten (davon drei RL-Arten) und 14 Tagfalterarten (davon zwei RL-Arten). Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis: “Gemessen an der Anzahl der Biotoptypen, die unter einen besonderen gesetzlichen Schutz fallen, und der Anzahl der gefundenen RL-Arten (Fauna, Flora) kann dem UG aus naturschutzfachlicher Sicht, in Abhängigkeit von der jeweils betrachteten Gruppe, z. T. eine hohe bis sehr hohe Bedeutung beigemessen werden. Darüber hinaus wäre bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Gebiets noch zu beachten, dass das UG aufgrund seiner Eigenart (Habitatausstattung) und relativ isolierten bzw. inselhaften Lage vielen Arten auch als Trittstein dienen könnte.“
- Ein Lärmgutachten, das erst am 12.10.2015, also einen Tag vor der Senatsantwort veröffentlicht wird, stand im Zeitraum der Bürgerbeteiligung im Mai 2015 einfach nicht zur Verfügung. Es wurde nachträglich erstellt.
Auffällig ist, dass in Hafenfragen erneut das Gutachterbüro TED aus Bremerhaven beauftragt wurde. Genau dieses Büro hat auch die schalltechnischen Gutachten zur Westerweiterung geschrieben, dessen Qualität und Sachkunde auf dem Anhörungstermin von den Einwendern heftig kritisiert wurde.
Es ist schon toll, wenn man Unterlagen nicht fristgerecht bereitstellt: sei es mit Vorsatz, wie man bei der Biotopkartierung aus dem November 2014 vermuten könnte, oder weil die Unterlagen, wie im Fall des Lärmgutachtens, noch nicht einmal erstellt waren.
Unwahre Behauptung
Es gab einmal einen grünen Bürgerschaftsabgeordneten mit dem Namen Jens Kerstan. Der stellte im Juni 2011 zum aktuellen Stand des Biotopverbundes in Hamburg eine Schriftliche Kleine Anfrage. Er erhielt in Frage 2 zur Antwort “Es ist beabsichtigt, bis Ende 2011 ein Fachkonzept für den Biotopverbund zu erstellen, dessen Inhalte in einem zweiten Schritt in das Landschaftsprogramm für die Freie und Hansestadt Hamburg integriert werden sollen. Der zeitliche Ablauf dieser Integration der Inhalte ist derzeit nicht abschätzbar.” In 2011 gab es keinen Biotopverbund und in 2015, in der Amtszeit des grünen Umweltsenators Jens Kerstan gibt es diesen immer noch nicht. So relativiert sich der letzte Satz der Senatsantwort auf Frage 7: “Das Gebiet ist nicht Bestandteil des Biotopverbundes.”
Was ist überhaupt ein Biotopverbund? Die Antwort gibt die Behörde von Umweltsenator Jens Kerstan auf der Internetseite: “Die Umsetzung des Biotopverbundes für Hamburg ist eine umweltpolitische Maßnahme auf der Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes. Der Biotopverbund überwindet die Verinselung und Verkleinerung natürlicher Lebensräume. Mit dem Biotopverbund wird eine naturschutzfachliche Strategie zur Sicherung seltener Arten und Lebensräume und zur Verbesserung ökologischer Wechselbeziehungen geschaffen.” Seit Mai 2010 hat dieser Biotopverbund in §9 Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes (HmbBNatSchAG) eine gesetzliche Bedeutung erhalten. An Fachkonzepten wird seit langer Zeit gearbeitet und es gibt sogar eine amtliche Karte aus dem Oktober 2012, die diesen Verbund für Hamburg und seine Nachbarn darstellt.
Herr Umweltsenator Kerstan kennt diese Diskussionen um den Biotopverbund sehr gut – schließlich waren diese Bestandteil seiner aktiven Politik. Warum ignoriert er das jetzt, wenn er diese, auf der Regierungsbank sitzend, endlich umsetzen könnte? Schaut man in den rot-grünen Koalitionsvertrag und sucht nach dem Wort “Biotopverbund”, erkennt man bei der Vielzahl der Treffer schnell, dass dieses ein rot-grünes Regierungsziel sein müsste.
Nee, ist es nicht. Der grüne Umweltsenator leidet seit seiner Ernennung zum Umweltsenator am 15.04.2015 an akuter Amnesie. “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern” ist seine Regierungsmaxime geworden und so lässt er die obige Senatsantwort zu den Biotopverbünden formulieren und schiebt noch mal zwei Gutachten klammheimlich nach. Das ist ekelerregend!