Der Bürgerschaftsausschusses für Wirtschaft, Innovation und Medien tagte am 05.01.2016 und behandelte Thema Sedimentmanagement im Hamburger Hafen. Wirtschaftsenator Herr Frank Horch, begleitet von Staatsrat Herrn Dr. Rolf Bösinger berichteten unter Verstärkung von zwei HPA-Mitarbeitern über den aktuellen Sachstand. Der Ausschuss hat statt eines Protokolls einen Bericht an die Bürgerschaft abgegeben – die zugehörige Präsentation von der HPA ist als Anlage zur “Anwesenheitsliste” veröffentlicht.
“Die Senatsvertreterinnen und Senatsvertreter erläuterten zum Sedimentmanagement,
dass diese Problematik einen naturbedingten Hintergrund habe. Das sogenannte Oberwasser, welches eine normale Spülwirkung des Stromes ausmache, sei im letzten Jahr überproportional zurückgegangen und darüber hinaus habe es unter anderem langanhaltende Winde aus ungünstigen Richtungen gegeben. Alles zusammen habe dann die Sedimentablagerungen zu einem Problem werden lassen.” lesen wir und sind erstaunt, das kein Abgeordneter nach wissenschaftlichen Untersuchungen und Nachweisen fragt oder sich auch nur an die Staustufe in Geesthacht erinnert. Das Bild von der Toilettenspülung scheint für die Abgeordneten vollkommen ausreichend zu sein: Viel Wasser – Schiet weg, beim Betätigen der Spartaste (also wenig Oberwasser) bleibt alles liegen. Die Hydrologie und ihre Unterdisziplinen scheinen in Hamburg ein Bestandteil der Klempnerinnung zu sein.
Einen Zusammenhang zwischen den seit Jahrzehnten gestiegenen Baggermengen und den vorangegangenen Elbvertiefung wird nicht mal in Erwägung gezogen. Auch nicht, wenn mit den im Bericht zu Protokoll gegebenen Hamburger Baggermengen von über 10 Mio. m³ ein neuer Rekord bekannt gegeben wird. Keiner bemerkt zudem, dass die Mengen aus der Injektionsbaggerei, die wir auf weitere 1 Mio. m³ Sediment schätzen, in den Senatsangaben völlig unberücksichtigt bleiben.
In Sorge um den Hafen werden Forderungen zur ganzjährigen Baggerei gestellt. Die Vereinbarung zwischen HPA und Umweltbehörde zum Aussetzen der Kreislaufbaggerei zwischen April und November bei Unterschreitung der kritischen Sauerstoffgrenze soll aufgehoben werden. Ein Wort über das jährliche Sauerstoffloch im Hamburger Hafen wird dabei nicht verloren. Die o.a. Vereinbarung scheint von Abgeordneten als eine Schikane der Umweltbehörde angesehen zu werden: “Im Interesse der Gegebenheiten des Hamburger Hafens und des Wirtschaftsstandorts Hamburg sollte ein grüner Senator dann auch mal nachgeben.”
“Zur Forderung, den Baggerstopp im Sommer auszusetzten, merkten sie (Vertreter des Senats) an, dass dies mit dem Konzept, Baggergut in die Nordsee auszutragen, bezweckt werde, denn dafür würden nicht nur die Wintermonate in den Blick genommen. Es werde damit auch das Ziel verfolgt, eine ganzjährige Handlungsfähigkeit zu erreichen.” So dann wird die Verklappung bei Tonne E3 vor Helgoland und überhaupt in der Nordsee vom Senat erörtert. “Die letztjährige Situation sei dann aber zum Anlass genommen worden, auf der Fachebene in Verhandlungen mit Schleswig-Holstein einzutreten, um für das kontaminationsfreie Material aus den Hafenbecken eine langfristige und nachhaltige Lösung für den Bereich der Hamburger Delegationsstrecke vom Hafen bis zur Landesgrenze zu Schleswig-Holstein zu finden.”
Kontaminationsfrei? Klingt toll – aber dieses Material gibt es im Hamburger Hafen nicht! Seit Jahren wird bei Tonne E3 vor Helgoland giftiges Sediment (mit erheblichen GÜBAK-R2-Richtwertüberschreitungen) aus dem Fahrwasser der Norder- und Süderelbe sowie des Köhlbrands verklappt. Als “frisches” Sediment gilt dieser Schlick aus dem Fahrwasser daher als “weniger” belastet. Sedimente aus den Hafenbecken sind dagegen älter und weisen deutlich höhere Belastungen als aus den vorgenannten drei Abschnitten aus. In der HPA-Graphik der Protokollanlage (Pdf-Seite 10) wird der Kontaminationsgrad auch vorsorglich nicht benannt.
Wir erahnen, dass Schleswig-Holstein sich jetzt von Hamburg weich klopfen lässt, damit auch die giftigen Sedimente aus den bislang ausdrücklich in der bisherigen Vereinbarung ausgeschlossenen Hafenbecken in der Nordsee verklappt werden können. Interessant wird zudem das Volumen der jährlich von Schleswig-Holstein zu genehmigenden Sedimente sein. Wir ahnen Schlimmes!
Eine Vereinbarung mit Hamburgs nördlichen Nachbarn soll bis Ostern 2016 erarbeitet werden. Laut HPA-Graphik (letzte Seite) wird hierfür der Ergebnisbericht des Dialogforums Tideelbe vom Sommer 2015 als Basis für eine Lösung und ein Einvernehmen der Bundesländer deklariert. Wir haben im Bericht keine perfekte Lösung finden können. Einvernehmlichkeit haben wir nur bei der Schaffung von mehr Flutraum an der Unterelbe (z.B. Öffnung der Alten Süderelbe) wahrgenommen, die deutlich mehr Einfluss auf das Sedimentationsgeschehen im Hafen hat, als die o.a. “Toilettenspülung”. Dieses Thema wurde aber im Ausschuss nicht erörtert und wird in den nächsten Jahren, wie in den vielen Jahrzehnten zuvor, von Hamburg gepflegt unter den Teppich gekehrt werden.