Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist bekanntermaßen in Hamburg ein ungeliebtes Kind. Diese europäische Rechtsnorm, die für alle europäischen Gewässer, also auch für unsere Elbe, zumindest einen guten ökologischen und chemischen Zustand herbeiführen soll, steht dem Wunsch des Hamburger Senats nach der neunten Elbvertiefung und aber auch der CTH-Westerweiterung entgegen.
Ein Bestandteil der WRRL ist die Erstellung von Bewirtschaftungsplänen für die Gewässer, in denen der Zustand des Gewässer sowie ein Überwachungs- und Maßnahmenprogramm
dargelegt wird, um dieses in einen guten Zustand zu überführen. Die Pläne sind von den zuständigen Behörden gemäß §84 WHG bis zum 22.12.2015 zu überarbeiten.
In Deutschland werden zehn Bundesländer von der Elbe bzw. von Ihren Nebenflüssen durchströmt. Diese haben sich in 2004 zur Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) zusammengeschlossen und erarbeiten, jedes Land in der Verantwortung für seinen Elbteil, den Gesamtplan. Dieser wird von der Bundesregierung in den nationalen Plan für alle deutschen Gewässer integriert und an die EU-Kommission zwecks Kontrolle weitergeleitet.
Der letzte in 2009 verabschiedete Plan für die Elbe musste gemäß WRRL bis Ende 2015 mit dem Planungshorizont bis 2021 überarbeitet werden. Am 22.12.2015 wurde dieser “Zweite Bewirtschaftungsplan” nun veröffentlicht. Der Senat hatte zuvor in der Bürgerschaft in einer Senatsmitteilung berichtet und als Anlage 1 eine FGG-Zusammenfassung (Pdf-Seite 7) des Gesamtplanes und den Hamburger Teilplan als Anlage 2 (Pdf-Seite 17) beigefügt.
Hamburg hat für seine Elbteile gleich zwei Ausnahmen nach §31 Abs. 2 Nr. 2 WHG von den Bewirtschaftungszielen in Aussicht gestellt: für die Elbvertiefung und die Eurogate-Westerweiterung wird ein übergeordnetes öffentliches Interesse geltend gemacht. In der Senatsmitteilung wird dieses in der Anlage 2 auf Pdf-Seite 26 nur sehr verklausuliert dargelegt.
Nur wenig konkreter wird es in den Anlagen zum Bewirtschaftungsplan der FGG-Elbe. Ganz am Ende von Punkt A5-4 sind die von Hamburg bei der FGG Elbe eingebrachten WRRL-Ausnahmebegründungen für die Elbvertiefung und die Westerweiterung zu finden, die wir schon aus den alten Planungsunterlagen aus 2006 bzw. 2009 kennen. Aktualisiert wurde hier nichts. Auch Anhang A6-1 “Aktualisierung der Wirtschaftlichen Analyse der Wassernutzungen für die FGG Elbe” bemüht auf Seite 81 (Pdf Seite 83) die gleichen alten Hüte: “Ein Ausbau des deutschen Teilabschnittes der limnischen Elb-Wasserstraße ist derzeit nicht geplant, jedoch ist eine Elbvertiefung von Cuxhafen bis Hamburg zur tideunabhängigen Beschiffung der Elbe bis Hamburg durch tendenziell immer größer werdende Containerschiffe mit einem Tiefgang von bis zu 13,5 m geplant. Die günstige wirtschaftsgeographische Lage des Hamburger Hafens zwischen den Wachstumspolen Ostasien und Osteuropa lässt sehr gute Entwicklungsaussichten erwarten. So wird beispielsweise ein Anstieg des Containerverkehrs mit Asien von 4,8 Mio. Twenty-foot Equivalent Unit (TEU) im Jahr 2010 auf 15,8 Mio. TEU im Jahr 2025 prognostiziert. (HPA 2012) Insgesamt wird ein Anstieg von 9,7 Mio. TEU im Jahr 2008 auf 27,8 Mio. TEU im Jahr 2025 erwartet. (Toben 2010)”
Wie kann es sein, dass für die brandneue Aktualisierung des Bewirtschaftungsplanes uralte Gutachten angeführt werden, die sich schon während der Laufzeit des bislang gültigen Bewirtschaftungsplanes nicht wie prognostiziert entwickelt haben? Der aktuelle Hamburger Containerumschlag des Jahres 2015 wird mit knapp 9 Mio. TEU noch nicht einmal mehr den Stand des Jahres 2006 erreichen. Es ist auch nicht absehbar, wie der bis 2025 prognostizierte Umschlag von 27,9 Mio TEU jemals erreicht werden könnte. Selbst der HHLA- und ZDS-Chef Herr Klaus-Dieter Peters wird in der aktuellen Stadt-Land-Hafen auf Seite 12 mit einer verhaltenen Aussage wiedergegeben: “In diesem Jahr werde der Gesamtumschlag allenfalls stagnieren …. Besonders die Containerisierung sei ausgelaufen, sagte der HHLA-Vorstandsvorsitzende, also der Wechsel der Transportarten von Stückgütern in die Stahlboxen zum Stillstand gekommen. Kurz: Alles, was in Container passt, werde nun auch in Containern transportiert.”
In Hamburg hat sich weder das ökologische Potential noch der chemische Zustand für die Elbe seit dem ersten Bewirtschaftungsplan zum Guten verändert. Ist denn wenigstens in den nächsten sechs Jahren des Planungszeitraumes mit neuen Maßnahmen eine Änderung zu erwarten? Ein Vergleich des neuen Maßnahmenplanes für den Zeitraum bis 2021 mit dem bisherigen Maßnahmenplan (Pdf-Seite 63 ff.) für die drei Hamburger Elbbereiche, d.h. el_01 (Elbe-Ost), el_02 (Hafen) und el_03 (Elbe-West) lässt hier nur wenig erwarten. Die Öffnung der Alten Süderelbe wird nicht mal mehr in Erwägung gezogen. Hamburg wird weitere sechs Jahre erfolglos an einem Sedimentmanagementkonzept arbeiten. Hamburgs Senat will die Vorgaben der Europäischen Wasser-Rahmenrichtlinie nicht ernst nehmen.
Europäisches Recht wird neben dem Moorburger Kraftwerk, der Luftreinhaltung, der HPA-Beihilfen in Hamburg auch die nächsten sechs Jahre höchst stiefmütterlich behandelt werden. Unsere Stadt trägt somit zu der in letzter Zeit häufig festgestellten Erosion europäischer Werte leider auch in großem Stile bei.