Über den Hafenumschlag von Gefahrgütern, z.B. bei radioaktiven Atombrennstoffen oder Waffen, spricht man in Hamburg nicht gern. Regelmäßig müssen dem Senat über kleine Anfragen in der Bürgerschaft diese Umschlagsdaten aus der Nase gezogen werden: die zögerliche Informationspolitik wird vom Senat regelmäßig damit begründet, dass in dem von DAKOSY betriebenen Gefahrgutinformationssystem (GEGIS) die Daten lediglich für 90 Tage gespeichert werden (können).
Die EU-Richtlinie 2010/65/EU über Meldeformalitäten für Schiffe beim Einlaufen und/oder Auslaufen spricht in Artikel 5, Nummer 1 von einer technischen Neuerung. Bis zum 01.06. 2015 müssen die Meldeformulare der Schiffe in elektronischer Form über ein “Single Window” abgegeben werden. Über dieses einzige Fenster sollen nun alle Meldungen abgebenen werden, die bislang separat über verschiedene Systeme abgegeben wurden.
Die EU-Richtlinie 2010/65/EU wurde in Deutschland durch die Änderung der Anlaufbedingungsverordnung (AnlBV) in nationales Recht umgesetzt und bildet die Grundlage für die Verpflichtung der Schifffahrt die erforderlichen Informationen elektronisch beim deutschen “Single-Window”-Kernsystem anzumelden. Das Single Window (auch als Nationales Single Window mit NSW bezeichnet) wird hoheitlich vom Bundesverkehrsministerium als Zentrales Meldesystem für Gefahrgut und Schiffsverkehre (ZMGS) betrieben. Es soll federführend vom Havariekommando in Cuxhaven betreut werden. Auf der Seite vom ZMGS können wir lesen, dass ein Datenaustausch mit dem SSN/EU besteht. Hinter SSN verbirgt sich wiederum das SeaSafeNet der Europäischen Maritime Safety Agency EMSA. Im Film dürfen wir lernen, dass u.a. auch die Gefahrgüter an die EMSA gemeldet werden müssen.
Wie die Daten u.a. zu Gefahrguttransporten aktuell und spätestens ab dem 01.06.2015 fließen, lernen wir aus einer dbh-Präsentation für Bremen/Bremerhaven (ähnlich DAKOSY für Hamburg). Auf den Folien 8 und 9 sehen wir die Datenflüsse zum NSW und ZMGS sowie auf Folie 7 die Anbindung an das europäische SSN, auch ein Port Control System (PCS) wie es DAKOSY anbietet.
Wir können also festhalten, dass es bei staatlichen Bundes- und Europabehörden bereits seit Jahren ein umfassendes Informationssystem u.a. zu Gefahrguttransporten gibt, welches es diesen Behörden ermöglichen soll, statistische Auswertungen vorzunehmen. Welche Gefahrgut-Daten für das NSW abgefordert werden, können Sie in dieser Broschüre von – sie glauben es nicht – Hamburg-Hafen-Marketing ausführlich ab der Seite 51 ff. lesen.
Was hat das nun mit den zögerlichen Informationen des Hamburger Senates zum Gefahrgut-Umschlag zu tun? Die “Entschuldigung”, bei den GEGIS-Angaben auf das DAKOSY-System angewiesen zu sein, welches die Daten lediglich 90 Tage vor hält, erscheint uns vorgeschoben.
Da gemäß o.a. AnlBV bereits heute die Gefahrgut-Meldungen elektronisch über seinen Hafenbetreiber HPA und/oder den Dienstleister DAKOSY zur Weiterleitung an die hoheitlichen Bundes- und Europastellen entgegen genommen werden, ist es nicht vorstellbar, dass sich der Senat keine Möglichkeit des Datenzugriffs geschaffen hat. Dass er zudem über keine statistischen Auswertungen zur Gefahrgut-Umschlagsentwicklung verfügen soll, erscheint uns in Verantwortung gegen über den in Hamburg lebenden Menschen grob fahrlässig. Auch wenn DAKOSY die Daten nicht liefern kann oder will, wird und muss er sich die Informationen über die ZMDS bzw. das SSN beschafft haben.
Dass er diese Daten trotzdem nicht veröffentlicht, spricht für einen tiefen schwarzen Abgrund…