Unser erster Bürgermeister Herr Olaf Scholz hat gestern im Abendblatt anlässlich der Bürgerschaftswahl am 15.02.2015 seine Positionen für die nächste Legislaturperiode dargelegt. Einen Tag zuvor berichtete das Abendblatt über die Positionen des Führer der größten Oppositionspartei in der Bürgerschaft, Herrn Dietrich Wersich.
Beide Politiker vertreten identische Positionen in Sachen Elbvertiefung. Ob es nun pathetisch eine “schicksalshafte Entscheidung für ganz Europa” von Herrn Scholz ist oder ein solides “es gibt keinen Plan B zur Elbvertiefung” von Herrn Wersich: beide stehen voll hinter den Plänen der neunten Elbvertiefung. Eine Basta-Politk ist bei beiden Politikern spürbar – Kompromisslinien sind für beide undenkbar.
Gibt’s dennoch einen Blick über den Tellerrand, z.B. für neue Ideen für den Hafen? Bei Herrn Wersich könnte man zaghafte Ansätze vermuten: “…allein Rekorde beim Containerumschlag werden die Zukunft des Hafens nicht sichern. Weltweit zeige sich, dass allein das Umschlagen von Containern oder Stückgut nicht mehr ausreiche. Wir benötigen eine Reindustrialisierung des Hafens”, sagt er. Neben dem Ent- und Beladen von Schiffen müssten auf dem Gelände Produktionsstätten angesiedelt werden.” Das ist nix Neues, aber immerhin…!
Bei Herrn Scholz dagegen gibt’s nur alte sozialdemokratische Betonkopfpolitik “Es gibt Leute, die sagen: Rotterdam hätte die ganze Küste bis Stade weggebaggert”, sagt der Sozialdemokrat, und seine Stimme klingt sarkastisch.” Das erinnert doch an Zeiten, als Atomkraft noch das undiskutierbare Maß der Sozialdemokratie für Fortschritt und Arbeitsplätze war – heute will das keiner mehr erinnern.
Was sagen die beiden Herren in Sachen Elbvertiefung zu Kooperationsansätzen mit der Unterelbe- und sogar der gesamten Küstenregion? Gibt es überhaupt ein Hamburger Umland, mit dem man gemeinsam eine Politik für Norddeutschland oder sogar Europa gestalten könnte?
Herr Scholz kennt er in Sachen Elbvertiefung immerhin die Lüneburger Heide: “…, ist die Lüneburger Heide auch nicht mit EU-Recht vereinbar.” Schließlich sei die Heidelandschaft einst durch Kahlschlag entstanden. ” Wie sollen wir das verstehen? Vergleicht er die heutige geplante Elbvertiefung mit einem etwaigen damaligen Kahlschlag in der Lüneburger Heide? Ein befremdlicher Vergleich, wenn man den Ausführungen der Wikipedia zur Lüneburger Heide (Kapitel Entstehung und Entwicklung der Heidelandschaft) folgt. Sei’s drum – in Sachen norddeutsche Zusammenarbeit: Fehlanzeige!
Nun Herr Wersich – immerhin scheint er Wilhelmshaven zu kennen: “Es geht doch nicht darum, dass Hamburg sich finanziell an anderen norddeutschen Häfen beteiligt. Ein gewisses Maß an Konkurrenz sei unverzichtbar. Notwendig ist dagegen eine gemeinsame weltweite Vermarktung. Natürlich mit Hamburg als dem zentralen Anlaufpunkt im nördlichen Mitteleuropa.” und ergänzend: “… in der Umsetzung großer Infrastrukturprojekte sieht der CDU-Politiker Möglichkeiten für Kooperation der fünf norddeutschen Bundesländer, wohl wissend, wie peinlich genau jedes Bundesland darauf achtet, nicht über den Tisch gezogen zu werden. Deshalb betont Wersich im Gespräch die Strahlkraft des Hamburger Hafens für den Norden. Der größte Teil der in der Hansestadt angelandeten Waren werde in der Metropolregion verarbeitet. Das sichere über die Grenzen der Stadt hinaus hochqualifizierten Arbeitskräften Jobs und Einkommen.” Na, also arroganter geht es eigentlich kaum – warum wundert man sich im Rathaus bloß, dass man uns Hamburger immer als Pfeffersäcke bezeichnet?
Bei Herrn Scholz können wir ausgehend von seinen befremdlichen Vergleichen mit der Lüneburger Heide noch eine weitere Merkwürdigkeit feststellen: “Der Bürgermeister sieht Europa in der Pflicht. Von seinen Gesetzgebern erwartet er mehr Klarheit – und mehr Realismus. Und er stellt die Frage, ob solche Angelegenheiten überhaupt gerichtlich zu klären seien. Die Flüsse sind die Lebensadern Europas.” Ja, so sprechen nahezu “lupenreine Demokraten”. Ein derartig demokratisches Verständnis zeugt davon, das Herr Scholz das deutsche und europäische Rechtssystem nicht richtig verinnerlicht zu haben scheint. Wenn dieser das europäische Rechtssystem kritisierende Politiker dann die neunte Elbvertiefung aus dem Hamburger Haushalt rausnehmen will und über die “Junckers Liste” finanzieren lassen möchte, wird es absurd.
Glauben Sie nicht? Dann gucken Sie doch mal auf die Liste “ANNEX 2 – Project lists from Member States and the Commission PART 3” – hier Seite 23 in der Mitte. Das ist die “List of Illustrative Projects”, die der EU-Kommission zur Entscheidung vorliegt. Hamburg hat dort seinen Baukostenanteil von 199 Mio. Euro über die Rubrik “Transport” für die neunte Elbvertiefung mit den Worten: “Hamburg Channel adjustments on the River Elbe / The planned channel adjustments of the Lower and Outer Elbe is to ensure that modern large container ships with max. drafts of 14.5 m can reach the port.” angemeldet. Auch die Bundesregierung hat dieses auf Seite 22, ganz unten ihren Anteil von 250 Mio. Euro geltend gemacht: “Unter- and Außenelbe Inland waterway improvement”
Aus Hamburg finden wir auf der Liste noch diverse weitere Hafenprojekt angemeldet: Kattwyk-Brücke, Einfahrt Vorhafen, Drehkreis Westerweiterung, Zufahrten Burchardkai, Umbau Bahnknoten Hamburg sowie diverse Hamburger Autobahnprojekte. Projekt im Wert von rund 2 Mrd. Euro wurden eingereicht! Die Elbvertiefung wurde sogar doppelt – in deutscher und englischer Sprache – eingereicht. Hamburg maßt sich an, an einem Topf von 300 Mrd. Euro mit 2 Mrd Euro teilhaben zu wollen. D.h. Hamburg, das mit 1,8 Mio. von insgesamt 507 Mio. EU-Bürgern einen Bevölkerungsanteil von 3,5 Promille hat, beansprucht aus dem EU-Topf des Herrn Junckers für sich rund 6,7 Promille des zur Verfügung stehenden Geldes.
Was soll man von einer derartigen Politik, d.h. “EU-Geld nehme ich gerne, aber EU-Gesetze erkenne ich nicht an” halten? Wir jedenfalls halten davon nichts!