Am 07.12.2016 wurde in einer Pressemitteilung der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation bekanntgegeben, dass der Planfeststellungsbeschluss zur Westerweiterung nunmehr vorliegen würde und an die Verfahrensbeteiligten versandt worden sei. Und tatsächlich haben einige wenige den auf den 28.11.2016 datierenden und 366 Seiten umfassenden Planfeststellungsbeschluss mit einer förmlichen Zustellung in Papierform erhalten – andere Mitglieder unserer Bürgerinitiative warten noch auf die Zustellung.
Der Planfeststellungsbeschluss (PFB) mit einer Ausfertigung des festgestellten Plans kann aber in der Zeit vom 19.12.2016 bis 02.01.2017 in den Bezirksämtern Altona, Hamburg-Mitte und Harburg während der Dienststunden bzw. Sprechzeiten eingesehen. Wer die Weihnachtstage und die Zeit zwischen den Jahren anders nutzen möchte, kann sich die Unterlage auch -> hier herunterladen.
Das alles mutet schon seltsam an. In den Senatsantworten auf eine aktuelle Schriftliche Kleine Anfrage in der Bürgerschaft zum Stand der Westerweiterung wird als einzig konkreter Inhalt die 49. Kalenderwoche für die PFB-Vorlage benannt. Der Senat schweigt sich ansonsten zur Westerweiterung aus: “Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst.” ist erneut zu lesen. Die gleiche Ignoranz gilt anscheinend auch für die Hamburger Medien, die ja den Ball Westerweiterung noch im Sommer des letzten Jahres mit unwahren Null-Inhalten künstlich in der Luft hielten.
Der gesamte Planfeststellungsbeschluss arbeitet mit den gleichen Prognosen, die schon für die Begründung der Elbvertiefung herangezogen wurden. Auch wenn sich diese Prognosen und deren regelmäßige Aktualisierungen allesamt als falsch erwiesen haben, wird auch bei der Westerweiterung gebetsmühlenartig an ihnen festgehalten: Von den ehemals vorhergesagten 30 Mio. TEU im Jahr 2025 sind jetzt nur noch Vorhersagen von 18 Mio. TEU für das Jahr 2030 übrig geblieben. Auch wenn Hamburg in diesem Jahr nicht einmal die Hälfte der 2030 vorhergesagten Containern umschlagen wird, lesen wir im Beschluss auf Seite 65: “Die fortgeschriebene Bedarfsbegründung hält die Planfeststellungsbehörde für überzeugend“.
Das zeugt von wenig Wirtschaftskompetenz bei der Behörde. Eine mathematische Bankerregel (sog. 72-Regel) lautet, dass sich ein Kapital bei einem Zinssatz von rund 7% binnen zehn Jahren verdoppelt. Bei Übertragung dieser Regel auf den Containerumschlag in Hamburg würde das bedeuten, dass die Planfeststellungsbehörde mit einem jährlichen Umschlagswachstum von rund 7% rechnet.
Bis zur Weltwirtschaftskrise 2008 gingen die Auguren der Containerbranche von der Faustregel aus, dass ein Prozent Steigerung des Weltwirtschaftswachstums eine Steigerung des Containerumschlages von drei Prozent indiziert – also ein Verhältnis von 1:3. Diese Faustregel wurde im Laufe der Jahre scheibchenweise auf 1:1 reduziert.
Für das Jahr 2015 konstatiert das ISL als bisheriger Prognosepapst für Containerumschlag: “Im Jahr 2015 ist die Weltwirtschaft nach Angaben des Internationalen Währungsfonds um 3,1 % gewachsen. Während niemand für dieses Jahr nach den schwachen Vorjahren von einem globalen Containerumschlagwachstum in einer Größenordnung von 9 % ausgegangen sein dürfte, sind die nun vorgelegten Zahlen des ISL dennoch zu einem gewissen Grad ein Schock. Nachdem das ISL für rund 353 Häfen, die mehr als 95 % des weltweiten Containerumschlags bewältigen dürften, Daten ausgewertet hat, ergibt sich ein Containerumschlagwachstum von gerade einmal 0,4 % im Jahr 2015.” Das bedeutet, dass ein Prozent Wachstum der Weltwirtschaft nicht einmal mehr 0,15% Wachstum im Containerumschlag bringt, d.h. die o.a. Faustregel ist auf 1:0,15 regelrecht abgestürzt.
Das Wirtschaftswachstum für 2016 wird vom Internationalen Währungsfonds für 2016 und 2017 mit Werten von knapp über 3% angegeben. Mit der abgelaufenen Faustregel von 1:1 würde der Umschlag in Hamburg knapp 3% steigen – mit der Faustregel aus 2016 nicht einmal mehr ein halbes Prozent. In keinem Falle aber um 7% – gemäß der o.a. 72 Regel kann es also zu keiner Verdoppelung kommen. Zusammengefasst: die Bedarfsbegründung für die Westerweiterung (und auch für die Elbvertiefung) ist unhaltbar.
Es erscheint unglaublich, wie sich die Planfeststellungsbehörde hat von Eurogate und HPA hinters Licht führen lassen. Und wenn Sie und wir wissen, dass es im Jahre 2025 zu keiner Verdoppelung kommen wird, fragen wir uns, warum die Behörde dann die Antragsteller nicht energisch auf die auf Seite 63 des PFB aufgeführten Potentiale an den Bestandsterminals verwiesen hat. Wir lesen dort, dass sich durch Ausbau und Anpassungsmaßnahmen von drei vorhandenen Containerterminalanlagen ohne Flächenfraß und Belastung der Elbe die Kapazität auf rund 18 Mio. TEU, also genau dem o.a. Prognosewert steigern lassen würde.
Nein, dass hat die Planfeststellungsbehörde unterlassen. Vielleicht liegt es daran, dass die dem Wirtschaftssenator Herrn Frank Horch zugeordnete Behörde an die o.a. Prognosen kraft Weisung ihres oberen Dienstherrens glauben muss. Denn dieser oberste Dienstherr muss diesen Unsinn ja auch in Kürze vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vertreten.
Und unser Kaiser Horch hat doch immer so wunderschöne Kleider an, oder?