…es musste schon ein Prunkstück sein und dem Hamburger Hafen einen weiteren weltweiten Superlativ einspielen: so lauteten jedenfalls die Planungen der HPA für den Neubau der Rethebrücke im Jahre 2008. Für 95 Mio. Euro sollte in einer mit Öltanks, Lagerhallen und Getreidesilos als Industriebrache anmutenden Gegend ein wahres Designerstück gebaut werden. In der Welt war zu lesen: “Die Querung, über die sowohl Autos als auch Züge rollen, erhält insgesamt vier Klappteile. Die Spannweite wird 104 Meter betragen. Am südlichen Ende der Brücke muss der Straßenverkehr künftig die Gleise nicht mehr ebenerdig queren, sondern wird auf Rampen über die Gleise hinweggeführt. Dadurch entfallen Wartezeiten. Bisher galt eine Klappbrücke aus dem spanischen Valencia mit einer Spannweite von 98 Metern als die größte ihrer Art.”
Am 21.07.2016, also nach mehr als neun Jahren Planungs- und Bauzeit war es dann fast soweit: die für 174 Mio. Euro neugebaute Rethebrücke wurde für den Straßenverkehr freigegeben. Es war eine Teilfreigabe, da Restarbeiten auf der zweiten Bahn-Klappbrücke für die Schienenquerung erst “in den kommenden Monaten” beendet werden sollten. Über den Zeitrahmen für den Rückbau der alten Hubbrücke wurde kein Wort verloren.
Ob die vollständige Freigabe des Brückenneubaus noch in diesem Jahr erfolgen wird, steht anscheinend in den Sternen. Aus den Senatsantworten auf eine aktuelle Schriftliche Kleine Anfrage in der Bürgerschaft geht aus der Antwort fünf hervor: “Bis zur Aufnahme des Bahnverkehrs sind noch Arbeiten notwendig, eine Freigabe kann erst nach Abschluss dieser Arbeiten erfolgen. Der Zeitpunkt steht noch nicht fest.” In der Morgenpost wird es dann im Artikel “180 Millionen Euro teuer, aber Züge dürfen nicht drüberfahren” aber für dieses laut HPA “einzigartige Bauwerk” deutlich konkreter:
“Laut Insider-Informationen soll die Verriegelung der Schienen an den Schnittstellen zwischen der Straße und den Klappen das Hauptproblem sein. Bei Probefahrten soll allein das Gewicht eines leeren Waggons ausgereicht haben, um die Schienen zu verschieben. Über die Brücke sollen aber mit Erz beladene Züge fahren, tonnenschwer und hunderte Meter lang.” Und so ahnen wir schon, dass die aktuell mit 173,6 Mio. Euro angegebenen Baukosten sich noch um ein paar Milliönchen erhöhen werden. Und, das wird dann immer noch, wie wir der Senatsantwort zu Frage drei a) entnehmen als “kostenstabiles Bauen” bezeichnet.
So ist es eben, wenn in Hamburg “einzigartige Bauwerke” erschaffen werden. Diese Einzigartigkeit sollen zumindest die Nutzer der Brücke auch genießen dürfen. So lesen wir in der Mopo: “Wartende Autofahrer fragen sich unterdessen, warum im Hafen überhaupt das Wagnis „Europas größte Klappbrücke“ eingegangen wurde, statt einfach eine neue Hubbrücke zu bauen. Das Wunderwerk braucht acht Minuten zum Hoch-, neun Minuten zum Runterklappen. Die alte Hubbrücke fährt in je vier Minuten auf und nieder.”
Einzigartig ist ja auch der Landstrom-Anschluss am Kreuzfahrt-Terminal in Altona. Rund drei Wochen nach der feierlichen Pseudo-Inbetriebnahme durften wir in einer nachgereichten HPA-Pressemitteilung lesen: “Bei der neuen Landstromanlage handelt es sich um ein einzigartiges Pilotprojekt, mit dem Hamburg erste Erfahrungen mit dem Betrieb eines festen Landstromanschlusses dieser Größenordnung sammeln wird.”
Unser Wirtschaftssenator Herr Frank Horch hatte am 07.04.2016 in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses angekündigt, “es werde künftig zu allen Bauprojekten einen Monitoringbericht geben, der der Bürgerschaft einmal jährlich vorgelegt werde, um damit
einen transparenten Blick für die Maßnahmen und baulichen Tätigkeiten an den unterschiedlichen Stellen auf den Weg zu bringen.” Das Jahr 2016 nähert sich dem Ende und da wäre es nach der letzten Veröffentlichung im November 2012 und den aktuellen Entwicklungen bei der Rethebrücke wahrlich an der Zeit, über die Kostenentwicklung samt zeitlicher Verzögerungen der vielen einzigartigen Bauprojekte im Hafen zu berichten.