Im Anschluss an das Freikommen der im Februar 2016 vor Grünendeich havarierten “CSCL Indian Ocean” sind viele Fragen unbeantwortet geblieben. In der Hamburgischen Bürgerschaft wurde mit lediglich zwei Schriftichen Kleinen Anfragen nicht viel hinterfragt. Zudem scheint sich der Senat, hier Antwort 7, auch nicht richtig gerne zum Thema äußern zu wollen.
Aus den Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag ist nun etwas mehr für den Interessierten in Erfahrung zu bringen. So geht die Bundesregierung vorbehaltlich der Ergebnisse der laufenden Seeunfalluntersuchung weiterhin von einem technischen Fehler der Ruderanlagensteuerung als Havarieursache aus. In den weiteren Ausführungen erfahren wir dann, wie man sich auf diese Havarierisiken bei den Planungen der Elbvertiefung und den damit avisierten Großcontainerschiffen, den “Außergewöhnlich Großen Fahrzeugen” (AGF), vorbereitet hat. “In Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Wasserbau, den Reedern, der Hafenbehörde Hamburgs und den Seelotsen wurden u. a. vorweg Simulationen durchgefahren und zusammen mit den theoretischen Risikoanalyseergebnissen bewertet. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die avisierten außergewöhnlich großen Fahrzeuge (AGF) das Revier der Außen- und Unterelbe unter Einhaltung zusätzlicher Auflagen in einer Schifffahrtspolizeilichen Genehmigung mit derselben Sicherheit befahren können wie die übrige Schifffahrt.”
Beruhigend klingt das nicht. Ein Schiff auf der Elbe gilt laut der seit Jahren gültigen Definition der WSV-Bundesbehörde ab einer Länge von 330 Metern oder einer Breite von 45 Metern als ein AGF. Es scheint damit so, dass die Havarierisiken mit den in 2006 durchgeführten Elbvertiefungsplanungen abgeschlossen wurden und nicht auf die heutigen explosionsartig angewachsenen Schiffsgrößen ausgeweitet wurden. Das lässt sich ableiten aus einem Vergleich der von den Bundesbehörden festgelegten Mindestmaße für ein AGF und den Maßen für das sogenannte Bemessungsschiff, das für die Begründung der Notwendigkeit der aktuell vor Gericht stehenden Elbvertiefung definiert wurde. Dieses Bemessungsschiff hat mit dem fast 400 Meter langen und 59 Meter breiten Havaristen “CSCL Indian Ocean” bzw. seinem Schwesterschiff “CSCL Globe” nicht mehr viel zu tun: es sieht fast niedlich gegen diesen Riesen aus. Es scheint also Handlungsbedarf an der Elbe für diese Riesenschiffe zu geben. Und so lesen wir in der Antwort dann auch: “Anlässlich des hier in Rede stehenden Unfalls wurden die Verkehrszentralen des Bundes angewiesen, bei einem hinreichenden Verdacht auf eine technische Störung auf dem AGF für das weitere Befahren ausreichende Schlepperunterstützung anzuordnen.” Eigentlich eine Selbstverständlichkeit…
Auch die Befahrensregelungen auf der Elbe werden für die Riesen in Antwort 7 offiziell, allerdings ohne Quellenangabe, benannt. Interessanterweise wird die bereits vom Eurogate-Chef, Herrn Emanuel Schiffer vor einem Jahr benannte Restriktion “Auf der Elbe gibt es nach Angaben Schiffers schon heute zwischen der Insel Neuwerk und dem Hamburger Hafen ein Begegnungsverbot für die Riesen.” von der Bundesregierung bestätigt: “Oberhalb der Tonnen 13/14 dürfen sich Fahrzeuge mit einer addierten Breite von 111 m und mehr nur begegnen, wenn ihre Schiffsgeschwindigkeit während der Begegnung 13 kn Fahrt über Grund nicht überschreitet.” Eine Restriktion, an der die geplante Elbvertiefung ebenfalls nichts ändern wird!
Auch das Fehlen des zweiten Ankers, den die “CSCL Indian Ocean” kurz vor der Havarie in der Nordsee verloren hatte, scheint, entgegen der üblichen Ausrüstungsvorschriften beim Befahren der Elbe kein Problem darzustellen. “Bei einem betriebsklaren Anker sind üblicherweise keine weiteren Auflagen erforderlich.” – soll heißen, das ein Anker reicht. Das klingt doch merkwürdig für ein derart enges Fahrwasser. So wird dann erklärend hinterhergeschoben: “Von der Hamburg Port Authority (HPA) wurde am 4. März 2015 für die „CSCL Indian Ocean“ eine Schifffahrtspolizeiliche Genehmigung für das Befahren des Hamburger Hafens erteilt. Neben den in der Genehmigung enthaltenen Auflagen hat die HPA wegen des fehlenden Ankers keine zusätzlichen Auflagen erteilt. Begründung dafür ist, dass bereits die Auflage bestand, dass das Schiff ab der Landesgrenze eine Leinenverbindung zu einem Schlepper mit einem Pfahlzug von mindestens 70 to. herstellen musste.” Der Havarieort Grünendeich liegt aber vor der Landesgrenze!
Wir erfahren in den Antworten der Bundesregierung auch etwas mehr zur Beladung der “CSCL Indian Ocean”. Neben den Containerzahlen und -gewichten, die unser Senat bei Anfragen komischerweise regelmäßig nicht beziffern kann, werden auch die Schmier- und Betriebsstoffe angeführt. Die Zahlen lassen uns schwindelig werden: Wir können froh sein, dass der Havarist freigeschleppt werden konnte und keine Container zur Reduktion des Tiefganges abgeborgen werden mussten.
Es verbleiben weiterhin viele offene Fragen zu dieser Havarie. Und so bleibt es spannend, ob und in welcher Form die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) eine Untersuchung dieser Havarie vornehmen wird. Bislang haben wir hierzu nichts weiteres gehört.