Vollbeladen bis zur Halskrause fährt der Saugbagger „Alexander von Humboldt“ nun täglich den hochgiftigen Hafenschlick aus den von Hamburg verwalteten Bundeswasserstraßen Köhlbrand, Norder- und Süderelbe in die Nordsee und verklappt diesen vor Helgoland bei Tonne E3. Dass dieser hochgiftige Hafenschlick alles andere als gering belastet und damit harmlos ist, haben wir bereits durch den Abgleich der HPA-Schlickanalysen mit den gültigen Verklappungsregeln dargestellt. Derartig hohe Schadstoffwerte scheinen unter Politikern, leider auch den Grünen, mittlerweile derart normal zu sein, so dass man meinen könnte, diese würden ihrem morgendlichen Frühstücksmüsli regelmäßig einen kontaminierten Esslöffel Hafenschlick aus der Süderelbe beimischen.
Mit diesem Frühstückseindruck entwickelt sich in Hamburg mittlerweile eine absurde Gespensterdiskussion, die giftiger und zielgerichteter kaum sein kann. Wir lesen in Salamischeiben:
- Auf der HPA-Bilanzpressekonferenz wird bekannt gegeben, dass die Baggerkosten in 2014 allein nur für Hamburg auf über 66 Mio. Euro angestiegen sind. Für 2015 sei keine Entspannung zu erwarten – Schuld habe der geringe Abfluss aus der Mittel- und Oberelbe.
- Die „Queen Mary“ darf bei den „Cruise Days“ im September 2015 aufgrund ihres großen Tiefgangs und der Verschlickung nicht mehr in der Hafen-City festmachen, sondern muss zum CC3-Terminal nach Steinwerder ausweichen.
- Das Hamburger Hansaport-Terminal, eine Tochtergesellschaft der städtischen HHLA hat vor dem Oberlandesgericht gegen die HPA in Sachen Mindertiefen in den Liegewannen des Terminals eine einstweilige Verfügung erwirkt. Der Text der Verfügung wird nicht veröffentlicht und bleibt damit in seinen Auswirkungen mehr als nebulös.
Parallel wird ein unfundierter Hilferuf posaunt: „Der Hamburger Hafen ist in Gefahr“. Ein ehemaliger Bürgerschaftsabgeordneter schlägt Alarm „Senat muss die Verklappung von Hafenschlick zwischen Neßsand und Blankenese stoppen“.
Was ist von diesen diffus anmutenden Meldungen zu halten? In jedem Falle, dass diese alle zusammenhängen. Seit Jahren werden wir mit einem Gemisch aus zu wenig Wasser aus der Oberelbe und noch nicht ausgeschöpften Verklappungsmengen vor Helgoland beruhigt, aber…
- Mittel- und Oberelbe haben in den Sommermonaten der letzten hundert Jahre periodisch immer wenig Wasser geführt. Ausnahmen, die wir uns ALLE NICHT wünschen, waren die katastrophalen Jahrhundertfluten, die in kurzen Zeitabständen zu immensen Zerstörungen geführt haben. Komplexe Darstellungen von Meßergebnissen sind bei Undine zu finden – sicherlich aber nicht die Aussage, dass das „arme Hamburg“ von geringem Wasserabfluss in den letzten Jahren besonders hart getroffen wurde. Es ist nachlesbarer Unsinn, wenn die HPA etwas Derartiges in ihrer Bilanzpressekonferenz verbreitet.
- Seit 2005 besteht das mit Schleswig-Holstein getroffene Übereinkommen, dass die Hamburg übertragene Tiefenhaltung der Bundeswasserstraße Elbe (die Delegationsstrecke) durch Schlickverklappung bei Helgoland erfolgen darf. Mittlerweile wurden seit 2005 über 8,5 Mio. m³ giftiger Hafenschlick bei der helgoländischen Tonne E3 verklappt. Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: das aus der E3-Verklappung abgeleitete Dialogforum Tideelbe ist zum Ergebnis gekommen, dass es kein Ergebnis gibt. Wie so etwas geht, können Sie im Abschlussbericht des Dialogforums lesen.
Müssen nun auch noch die Hafenbecken versanden, so dass die Queen Mary für die „Cruise Days“ umziehen und der Hansaport eine gerichtliche einstweilige Verfügung erwirken muss?
Der oppositionelle Bürgerschaftsabgeordnete hat mit seinen Feststellungen zur unsinnigen Kreislaufbaggerei vor Neßsand mit großer Sicherheit recht. Aber schlägt er keine Alternativen vor, die Hamburg für eine Schlickbeseitigung zur Verfügung stehen.
Die Verklappung bei Tonne E3 vor Helgoland ist keine Alternative – es wurde schon mehrfach, z.B zu DDR-Zeiten im Saale-Elster-Flussgebiet, zu sorglos mit dem Thema Umweltgifte umgegangen. Hamburg kann aus diesem Unrecht nicht für sich das Recht ableiten, sich wie die DDR zu verhalten und das Thema schwere Umweltgifte, ergänzt um seine eigenen hausgemachten Gifte, nun Helgoland und uns in der Nordsee auf den Hof zu kippen.
Das Thema Giftschlick ist in Hamburg alles andere als neu. Hamburg hat vor und seit der Wiedervereinigung sehr viel Zeit gehabt, sich des Umgangs mit dem Giftschlick im Hamburger Hafen zu widmen. Alle Zeit seit 1981 (unserer nachfolgenden ersten Quelle) und der Wiedervereinigung wurden verkleckert. Durch alle Senate wurde nichts, aber auch wirklich gar nichts bewegt. Es scheint in Sachen Schlickbehandlung und –prävention seit 1981 – das ist über 30 Jahre her – keinen innovativen Fortschritt gegeben zu haben. Wer es nicht glaubt, der kann im Folgenden einige parlamentarische Dokumente lesen und abschätzen, was sich seitdem über die vielen Jahre getan hat:
- Drucksache 9/3173, Senatsmitteilung „Unterbringung, Behandlung oder anderweitige Verwertung des bei Unterhaltungsbaggerungen im Hamburger Hafen angefallenen Mischbodens“ vom 24.02.1981
- Drucksache 11/839, Senatsmitteilung „Sicherung der Unterhaltungsbaggerungen im Hamburger Hafen sowie der Baggerungen in Alster, Bille und Nebengewässern“ vom 14.06.1983
- Drucksache 11/6825, Senatsmitteilung „Unterbringung des Baggergutes aus dem Hafen, Errichtung von Spülfeldern auf dem Moorburger Ellerholz, Öffnung der Alten Süderelbe“ vom 09.09.1986
- Drucksache 13/6369, Senatsmitteilung „Unterbringung von Baggergut und Trockenaufhöhungen – das METHA-Projekt“ vom 10.07.1990
- Drucksache 15/6738, Schriftliche kleine Anfrage „Spülfelder in Hamburg“ vom 07.01.1997.
- Drucksache 16/950, Schriftliche kleine Anfrage „Herstellung von Schlick-Ziegeln“ vom 09.06.1998.
- Drucksache 16/1405, Schrifliche kleine Anfrage „Noch immer keine Lösung für den Hafenschlick – obwohl die Koalitionsvereinbarung das für Juni 1998 zusagte“ vom 22.09.1998
- Drucksache 16/3080, Senatsmitteilung Sicherung der Unterbringung des Baggergut aus Hafen und Elbe“ vom 28.09.1999
Seit dieser letzten Senatsmitteilung aus 1999 hat sich zum Thema Baggergut und Verschlickung beim Senat der Freien- und Hansestadt Hamburg nichts mehr getan, außer, dass die achte Elbvertiefung im gleichen Jahr zum Abschluss gebracht wurde und die aktuelle, vor Gericht strittige neunte Elbvertiefung in 2002 beim Bundesverkehrsminister beantragt wurde. Wir verweisen darauf, dass die von uns angeführten Drucksachen bei Weitem nicht vollständig sind. Unser Fundus umfasst noch eine Vielzahl von weiteren Senatsmitteilungen, Ausschussberatungen und parlamentarischen Anfragen.
Fazit: Dass Sauerstoffloch ist parallel zu den angeführten Dokumenten immer wieder aufgetreten. Millionen von damals Deutsche Mark und heute Euro sind in die Vertiefung und Tiefenhaltung der Elbe versenkt worden. Hunderte von Schiffe unter deutscher Flagge sind in der gleichen Zeit ausgeflaggt worden, Tausende von Arbeitnehmern haben auf den Schiffen und mit der Containerisierung ihre Arbeitsplätze verloren. Mehrere Häfen an der Unterelbe sind wegen Verschlickung geschlossen worden: der letzte Hafen war der von Friedrichskoog. Unzählige Fischer, Binsenbauern und Obst- und Viehbauern mussten aufgrund der Veränderung des Flusses ihre Berufe aufgeben. Ihnen fallen sicher noch weitere Änderungen entlang der immer wieder vertieften Elbe ein.
All die Jahre scheinen von der Politik, quer durch alle Farben, nicht wahrgenommen worden zu sein, dass der massive Eingriff durch Vertiefungen und Baggerungen an unserem Heimatfluss irgendetwas damit zu tun haben könnte. Wir haben Milliarden an Steuergeld für Vertiefung und Baggerung ausgegeben, ohne zu wissen bzw. wissen zu wollen, was wir damit anrichten.
Mit diesem Erinnern an über dreißig Jahre politisch erfolglosem Handeln, angesichts von „Queen Mary“, der Unterlassungsklage von Hansaport und mit dem anstehenden Gerichtsentscheid in Leipzig im Kopf, sollte bei allen Politikern in Hamburg, aber auch bei den Nachbarn in Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen ein Nachdenken einsetzen. Nur gemeinsam kann für alle vorgenannten Probleme von diesen norddeutschen Politikern eine Lösung erwirkt werden. Nehmen Sie sich doch einmal ein Herz und denken Sie gemeinsam nach…
…die „erinnernden“ Menschen im Land glauben Ihnen die Lösung Helgoland, Tonne E3 nicht. Sie glauben an einfachere Dinge wie eine norddeutsche Hafenkooperation!
Wenn Sie es in über dreißig Jahre mit Milliarden von Euros nicht hinbekommen haben, Alternativen für die Vertiefungsfolgen und Schlickbehandlung zu entwickeln, wie sollen wir Ihnen dann glauben, dass hochgiftiger Schlick, den Sie aktuell wieder verklappen lassen, und deren Folgewirkungen Sie mal gerade acht Jahre mit grenzwertigen Ergebnissen gemonitort haben, für folgende Generationen völlig harmlos sein soll? Zumal, wenn Sie den Menschen die letzten zwei Jahre des Monitorings für 2013 und 2014 entgegen aller Vereinbarungen verschweigen…